Bildverarbeitung

Im Fokus – Das Experteninterview

Wissensvermittlung für die 4. industrielle Revolution

19.05.2015 -

Politik und Wirtschaft haben sie sich auf die Fahnen geschrieben: Die vierte industrielle Revolution. Als Industrie 4.0 wird die nicht aufzuhaltende Digitalisierung der industriellen Fertigung zum deutschen Markenzeichen. Gleichzeitig stehen Entwickler und Anwender vor gewaltigen Herausforderungen, sobald ihr erarbeitetes Wissen die neuen Entwicklungen in der Bildverarbeitung nicht mehr abdeckt. Der Bedarf an Weiterbildung steigt.


Mit Professor Dr. Christoph Heckenkamp, Leiter des Studiengangs Optotechnik und Bildverarbeitung (OBV) an der Hochschule Darmstadt, sprach inspect über das spezielle Potential, das thematisch ausgerichtete Fachkonferenzen für die Weiterbildung von Ingenieuren bieten.

inspect: Herr Professor Heckenkamp, nach der ersten Veranstaltung im April 2014 gab es auch in diesem Jahr wieder eine VDI-Fachkonferenz industrielle Bildverarbeitung. Welche Motivation führte zu dieser Veranstaltung?


Ch. Heckenkamp: Die Anregung kam vom VDI Wissensforum. Dort war man der Auffassung, dass es bei Ingenieuren einen Weiterbildungsbedarf in puncto Bildverarbeitung gibt. Es lag also nahe, nicht nur Seminare zu dem Thema anzubieten, sondern auch eine Fachkonferenz als Kommunikationsforum für diejenigen, die in der Industrie Bildverarbeitung einsetzen. Das VDI Wissensforum spricht diese Klientel gezielt an. Aus der akademischen Welt heraus könnten wir das in dieser Breite gar nicht leisten, auch wenn wir viele Industriekontakte haben.

inspect: Was unterscheidet eine solche Fachkonferenz von anderen Vortragsreihen zur industriellen Bildverarbeitung?

Ch. Heckenkamp: Wer beispielsweise an der VDI-Fachkonferenz industrielle Bildverarbeitung, teilnimmt, reserviert sich die Tage speziell für diese Veranstaltung, kommt also gezielt wegen der Vorträge und wird sich alle Präsentationen anhören. Für jeden Vortrag steht ausreichend Zeit zur Verfügung, sodass die Themen ausführlich behandelt werden können. Anwendungsberichte und Vorträge von Anbietern sind etwa gleichgewichtig vertreten. Die industriellen Anbieter können aber keine Marketingpräsentationen zeigen, sondern müssen sich inhaltlich anspruchsvollen Fragen eines fachkundigen Publikums stellen. Die einzelnen Vortragsthemen werden nach Möglichkeit in einen Zusammenhang gestellt und jeder Vortrag endet mit einer strukturierten Fragerunde. Viel Wert wird auch auf die informelle Kommunikation gelegt. Während der Pausen, des Mittagessens und des Abendprogramms wird genügend Zeit gegeben, den fachlichen Dialog mit den Referenten fortzuführen. Es muss also keine Frage unbeantwortet bleiben. Hier unterscheiden sich Fachkonferenzen auch wesentlich von Vortragsveranstaltungen bei Fachmessen, bei denen die Vorträge in der Regel Bestandteil des Rahmenprogramms sind. Ähnliche Veranstaltungen von Unternehmen oder Systemhäusern haben wiederum einen eher kommerziellen Hintergrund. Stark wissenschaftlich geprägte Tagungen dagegen adressieren in erster Linie Forschungsthemen und sprechen hauptsächlich Forschungseinrichtungen an. Wir meinen, dass das Veranstaltungsformat einer anwendungsorientierten Fachkonferenz hier eine vorhanden Lücke schließt und eine ideale Kommunikationsplattform für Industriebildverarbeiter bereitstellt.

inspect: Wie beeinflusst die Konferenzsprache Deutsch den Kreis der Referenten und Teilnehmer?

Ch. Heckenkamp: Die überwiegende Zahl der Vorträge wird auf Deutsch gehalten, das ist richtig. De facto haben aber viele wichtige „player" aus dem Ausland Vertretungen in Deutschland oder sind über deutsche Partner präsent, also in diesem Sinne ebenfalls deutschsprachig. Auch sind viele bedeutende Bildverarbeitungsunternehmen nun einmal in Deutschland zuhause und die deutsche Industrie stellt die meisten relevanten Anwender. Wir hatten daher keine Probleme mit der Vorgabe, dass die Vorträge in deutscher Sprache gehalten werden sollen. Ich bin überzeugt, dass die Teilnehmer das schätzen, denn über komplexe Zusammenhänge redet es sich in der Muttersprache allemal am besten.

inspect: Wie würden Sie die Zielgruppe beschreiben, die Sie mit dem Forum adressieren?

Ch. Heckenkamp: Die Konferenz richtet sich bewusst an diejenigen, die sich über erfolgreiche Anwendungen, über Trends und über Technologien informieren möchten und Kontakte knüpfen wollen. Die Vorträge sind zwar in erster Linie für Spezialisten interessant, dennoch können sich Einsteiger auf der Konferenz effizient einen Überblick verschaffen und sich mit Anwendern austauschen, die vielleicht ähnliche Aufgabenstellungen bearbeiten. Für die Spezialisten bietet das Themenspektrum ebenfalls einen guten Überblick, denn es kommen Teilnehmer und Vortragende aus allen Branchen zusammen. Da sieht der IBV-Spezialist aus der Automobilindustrie vielleicht plötzlich, dass ein Anwender aus der Agrarindustrie ein Problem gelöst hat, mit dem er sich in ähnlicher Form schon lange herumschlägt oder kann sich formlos mit Kollegen austauschen, die ähnliche Komponenten oder Verfahren einsetzen. Wir adressieren also, wenn Sie so wollen, den Industriestandort Deutschland in puncto Bildverarbeitung.

inspect: Es finden sich kaum Vorträge aus Universitäten oder Forschungsinstituten, obwohl Sie doch selbst an einer Hochschule sind?

Ch. Heckenkamp: Veranstalter der Fachkonferenz industrielle Bildverarbeitung ist das VDI Wissensforum und das ist eine Ingenieurorganisation. Die Konferenz ist also ein Forum für den Wissensaustausch im Bereich der Ingenieurdisziplin industrielle Bildverarbeitung. Ich selbst bin an einer Fachhochschule, an der wir Ingenieure im Bereich Optotechnik und Bildverarbeitung ausbilden. Das passt also fugenlos zusammen. Die Experten-Kommunikation im Forschungsumfeld ist lange etabliert, das können andere besser. Wir möchten gezielt die vielen Ingenieurinnen und Ingenieure in der Industrie erreichen, die sich mehr und mehr mit der Bildverarbeitung befassen müssen oder deren Potentiale nutzen wollen, dafür aber nicht ausgebildet sind. Diesen Personenkreis unterstützen wir dabei, sich schnell und effizient in die „community" einzuklinken. Allein die akademische Grundausbildung in Form eines Studiums wird den Bedarf an Fachkräften in der Branche nicht decken können. Das wäre auch nicht sachgerecht, denn es gibt viele erfahrene Ingenieure in der Industrie. Wir wollen eine strukturierte Weiterbildung anbieten und damit dieses Potential für die industrielle Bildverarbeitung erschließen.

inspect: Wie viel Bildverarbeitung lässt sich denn realistisch während einer zweitägige Fachkonferenz vermitteln?

Ch. Heckenkamp: Gewiss nicht so viel, dass aus einem unerfahrenen Einsteiger ein erfahrener Experte wird, dafür sollte man lieber ein halbes Jahr oder mehr einplanen. Deshalb hat der VDI auch ein Einsteiger-Seminar zu den Grundlagen der industriellen Bildverarbeitung im Programm, das auch für Mitarbeiter im Vertrieb geeignet ist. Die Fachkonferenz wird außerdem von zwei sog. „Spezialtagen" mit Seminaren zu speziellen Themen flankiert. In diesem Jahr waren das die „3D-Bildverarbeitung" und „Robot Vision". Im Vergleich zu diesen Seminaren ist die Konferenz natürlich breiter angelegt. Sie beleuchtet Lösungen und Trends, soll den Austausch anregen und die Teilnehmer einmal im Jahr wieder auf den neuesten Stand des Wissens bringen. Einsteigern gibt sie einen guten Überblick über das, was aktuell machbar ist.

inspect: Welche Themen standen in diesem Jahr im Vordergrund?

Ch. Heckenkamp: Wir haben die Konferenz in vier thematischen „Sessions" strukturiert: Das Dimensionelle Messen, die Oberflächeninspektion, die 3D-Bildverarbeitung sowie das Steuern und Regeln mit Bildverarbeitung. Zusätzlich gab es zwei Themenblöcke unter der Überschrift „Komponenten, Trends und Technologien", in diesem Jahr waren das „Neuentwicklungen in der Kameratechnik" und „Potentiale neuer Software und Sensorik". 3D-Methoden waren stark vertreten, sowohl in der Messtechnik-Session als auch bei der Oberflächeninspektion und dem „Steuern und Regeln"-Block. Diese thematische Struktur hatten wir schon für die Konferenz im letzten Jahr verwendet und möchten generell dabei bleiben.

inspect: Welches Zukunftspotential sehen Sie für die Fachkonferenz?

Ch. Heckenkamp: Wir werden sehen, wie sich diese Konferenz etabliert. Themen gibt es jedenfalls genügend, Bedarf für den Gedankenaustausch gewiss ebenfalls, und interessante neue Komponenten tauchen im Lauf eines Jahres auch regelmäßig auf. Die Komplexität der Methoden und der Komponenten für die industrielle Bildverarbeitung nimmt zu. Das gilt jedenfalls dann, wenn es um die Stabilität und Robustheit von Anwendungen geht und wenn speziell die Voraussetzungen und Grenzen von Verfahren hinterfragt werden. Daher nimmt der Bedarf an belastbarer Information zu. Umso wichtiger ist es, mit Leuten zu sprechen, die Erfahrung haben und ihnen zuzuhören. Für beides gibt es auf der Fachkonferenz Gelegenheit. Wir gehen jedenfalls im Mai schon wieder auf die Suche nach Referenten. Wer mit einem Vortrag beitragen möchte, kann sich gern formlos per E-Mail bei mir melden.

inspect: Welchen Veranstaltungsort favorisieren Sie derzeit?

Ch. Heckenkamp: Zunächst ist es vorgesehen, in Stuttgart zu bleiben. Das ist ein guter Standort für eine solche Konferenz. Schon im unmittelbaren Einzugsbereich sind viele Anwender und Anbieter von Bildverarbeitungslösungen. Die Verkehrsanbindung ist auch gut, sodass die Konferenz auch für Interessenten aus anderen Teilen Deutschlands mit vertretbarem Aufwand erreichbar ist.

inspect: Der Teilnahme an der Konferenz ist nicht kostenfrei. Wie schränkt das den Teilnehmerkreis ein?

Ch. Heckenkamp: Eine Einschränkung ist das gewiss nicht, denn die Veranstaltung ist für alle interessierten Teilnehmer offen. Aktuelles Fachwissen kompetent aufzubereiten und in einem angemessenen Rahmen attraktiv zu präsentieren, ist aber aufwändig. Das wird von den Budgetverantwortlichen, die an der guten Qualifizierung ihrer Ingenieure im Unternehmen interessiert sind, auch so gesehen. Die Hemmschwelle für die Teilnahme an einer Weiterbildungsveranstaltung ist eher die Zeit, die dafür investiert werden muss. Das spricht aber wieder für das Format einer verdichteten Wissensvermittlung, die eine Fachkonferenz bietet. Zudem sind das VDI Wissensforum wie auch die Konferenzleitung unabhängig und neutral. Die Konferenz dient auch nicht der Geschäftsanbahnung und es besteht keine Bindungen an Unternehmen. Wir wollen den Wissensaustausch fördern und das Technologiefeld Bildverarbeitung in der Industrie besser und deutlicher sichtbar machen. Dafür ist der VDI ein ausgezeichneter Partner. Ein intensives Vortragsprogramm mit der Gelegenheit, informelle Kontakte zu knüpfen und von vielfältigen Erfahrungen zu profitieren, ist eine sehr effiziente Möglichkeit, das Thema im Auge zu behalten oder sich ihm zu nähern. Ich meine: Das ist ein vernünftiges Gesamtpaket.

 

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