Einfacher Einstieg in die KI-basierte Qualitätssicherung
Software unterstützt den Anwender beim Training der KI und der Auswertung
Im Vergleich zur herkömmlichen optischen, regelbasierten Defekterkennung ermöglicht die auf künstliche Intelligenz (KI) basierende Bilderkennung einen ungleich robusteren und universelleren Einsatz. Bisher musste jede mögliche Variable, ob Umgebungsbeleuchtung, erwartete Werkstück- oder Defektposition und natürlich auch die genauen optischen Effekte, hervorgerufen durch einen Defekt, bei der Programmierung beachtet werden. Eine Abweichung von berücksichtigten Werten führte unweigerlich zu Fehlern bei der Defekterkennung, was zu einem vergrößerten Ausschuss, oder einer falschen Bewertung als Gutteil führte und weitere Kosten verursachte.
Eine KI-basierte Erkennung bietet hier weitreichende Vorteile: Schon beim Trainieren der KI lassen sich Parameter berücksichtigen, wie eine Variation der Umgebungsbeleuchtung, der Bauteiloberfläche oder der Position und Orientierung der Defekte. Eine so erstellte KI ist in der Lage, Defekte unter verschiedenen Bedingungen bei weitem zuverlässiger zu erkennen als herkömmliche Systeme.
Das Training der KI legt den Grundstein für eine hohe Erkennungsrate
Eine Voraussetzung für eine hohe Erkennungsrate ist das korrekte Trainieren der KI. Dies beinhaltet auch die möglichst spezielle Anpassung der Trainingsparameter an die jeweilige Aufgabe. Hier setzt die zweigeteilte Gestaltung der AI Inspect-Software an. Diese besteht aus einem Trainingsmodul und einem Auswertemodul. Ersteres ermöglicht es, eine KI ohne jegliche Programmierkenntnisse, Wissen im maschinellen Lernen oder künstlicher neuronaler Netze an spezielle Aufgaben anzupassen, während das Auswertemodul für den Einsatz der KI zum schnellen Erkennen von Defekten in der Anwendung verantwortlich ist.
Ein- bis zweihundert Bilder genügen als Trainingsgrundlage
Als Trainingsgrundlage dienen Bilder der Bauteile, wie sie auch im späteren Prozess zur Defekterkennung erfasst werden. Die Robustheit einer KI-Bilderkennung hängt stark von der Anzahl und der Variation dieser Trainingsbilder ab. Für viele KIs, wie sie zum Beispiel zur Handschrifterkennung zum Einsatz kommen, sind hierzu unter anderem mehrere zehntausend einzelnen Zeichen zugeordnete Bilder notwendig. Ein solcher Aufwand wäre für die Anpassung einer KI an eine spezielle Aufgabe zur Defekterkennung nicht vertretbar. Daher ist es mit AI Inspect durch eine interne Variation der vorliegenden Trainingsbilder möglich, eine robuste KI schon mit 100 bis 200 Bauteilbildern zu generieren.
Wenn diese Bilder von fehlerfreien als auch von defekten Bauteilen vorliegen, fügt der Anwender diese einfach per Drag-and-Drop in die Software ein. Im nächsten Schritt markiert er die Fehlstellen auf den Bildern der defekten Teile manuell. Hierbei ist auch ein Klassifizieren der Defekte möglich, sodass die KI später verschiedene Arten von Defekten, wie zum Beispiel Kratzer, Verunreinigungen und Dellen, unterscheiden kann. Somit wird ermöglicht, auch bei der Auswertung nicht nur die Position, oder das Vorhandensein eines Artefakts anzuzeigen, sondern zusätzlich den Bereich des Artefakts, abhängig vom Bildkontrast, pixelgenau zu markieren.
Optimierungsprozess der KI läuft automatisch ab
Nach einer weiteren Auswahl an Parametern, die während des Trainingsprozesses variiert werden sollen, wie der Rotation, der Helligkeit, der Schärfe oder des Rauschens der einzelnen Bilder, startet der Lernprozess der KI. Die Genauigkeit der Defekterkennung hängt sehr stark von der Optimierung dieses Prozesses ab. Hierzu ist im Normalfall eine tiefe Kenntnis im Bereich des maschinellen Lernens und von den genauen Prozessen, die in künstlichen neuronalen Netzen vorgehen, nötig. Bei einer solchen Optimierung wird zum Beispiel die Anzahl der genutzten Ebenen des neuronalen Netzes sowie die genaue Form der eingesetzte Aktivierungsfunktion und die Anzahl der Iterationen festgelegt, die das System beim Training durchläuft.
Die große Anzahl an möglichen Variablen machen diesen Prozess äußerst komplex und sind daher eine hohe Hürde zur effektiven Arbeit mit künstlicher Intelligenz. Dieser Optimierungsprozess wird durch AI Inspect automatisiert durchgeführt und sorgt somit dafür, dass zum Erstellen der KI kein Wissen über die Prozesse nötig ist, die bei der Erzeugung eines künstlichen neuronalen Netzes vorgehen. Hierzu kommt ein zeitoptimierter Algorithmus zum Einsatz, der darauf ausgelegt ist, möglichst wenige Iterationen des Prozesses zum Erreichen des Prozessoptimums zu benötigen.
Im anschließenden Schritt werden die Parameter zur Klassifizierung verschiedener Defekte manuell angepasst. Hier dient eine intuitive Benutzeroberfläche mit einer klaren Visualisierung dazu, die Daten leicht interpretieren und an individuelle Anforderungen anpassen zu können. Zuletzt wird das trainierte KI-Modell an das Auswertemodul auf dem Inspektions-PC übertragen.
Neben der Möglichkeit, bestimmte Arten von fehlerhaften Werkstücken durch das Trainieren mit Bildern von Bauteilen mit markierten Defekten zu klassifizieren, ist auch das Erkennen jeglicher Anomalien von Gutteilen möglich. Hierzu wird die KI nur mit Bildern fehlerfreier Werkstücke trainiert. Die KI erkennt daraufhin jede Abweichung dieser Teile als fehlerhaft. Somit wird die Defekterkennung nicht auf bestimmte Arten von Fehlern eingeschränkt und auch die fehlerhafte Montage von Baugruppen wird verhindert.
Softwaretool lässt viele Hardware-Freiheiten
AI Inspect kann Defekte anhand von Bildern vieler Formate auswerten. Neben der Voraussetzung, dass die eingesetzte Kamera dem Vision-Standard entsprechen muss, sind bei der Hardware zur Bilderfassung kaum Einschränkungen gegeben. Durch diese Variabilität lassen sich zahlreiche Defekte und Artefakte erkennen. So ist ein Einsatz mit einer Digitalmikroskopoptik möglich, womit sich auch kleine Defekte oder Verunreinigungen im Mikrometerbereich erkennen lassen. Außerdem kann die Software in einer Inline-Anwendung mit einer Zeilenkamera erfasste Bilder auswerten. Hier kommt der Software zugute, dass sie wie bei einer Flächenkamera mehrere Megapixel große Bilder verarbeiten kann. Somit ist auch der Einsatz der Software mit einer Optik zum Erfassen großer Flächen mit einer hohen Auflösung möglich. Dabei kann der Algorithmus Graustufen- und Farbbilder verarbeiten.
Neben der Genauigkeit wird der Fokus beim Einsatz des Auswertemoduls auf eine hohe Prozessgeschwindigkeit gelegt. Abhängig von der eingesetzten Computer-Hardware werden so mehr als 150 Bilder mit VGA-Auflösung pro Sekunde verarbeitet. Des Weiteren ist eine Integration von AI Inspect in QVPAK möglich, der Software für CNC-Bildverarbeitungsmessgeräte von Mitutoyo. Das erweitert die hochgenaue Messfunktion der Geräte um eine effektive KI-Defekterkennung. Durch die Variabilität und die Individualisierbarkeit der Bilderfassungsoptik eignet sich die Software für zahlreiche Branchen und Anwendungen.
Um auf erkannte fehlerhafte Teile individuell reagieren zu können, lässt sich das Auswertemodul der Software in die Maschinenkommunikation integrieren. Durch die Unterstützung vieler Kommunikationsprotokolle ist ein direktes Eingliedern der Steuerbefehle in die speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) möglich. Dies ermöglicht eine unmittelbare Rückmeldung bei vorliegenden Defekten an die Maschine und eine schnelle Reaktion zum Beispiel im Herstellungsprozess. Somit wird die Produktion von Ausschussware erheblich verringert.
Autor
Dr. Michael Köppinger