Bildverarbeitung

3D-Bildanalyse für die Mikrostruktur von Materialien

12.12.2024 - Analyseverfahren für Baustoffe

Das Tomografieportal Gulliver ermöglicht Druck- und Zugversuche an ­großen Betonproben während der CT-Messung. Das liefert viele entscheidende Daten, beispielsweise über das Innere eines Betonbalkens. Ein ­Problem bleibt, in den großen Datenmengen Risse und andere Mängel zu erkennen. Ein Forschungsprojekt hat sich dem angenommen und eine Lösung gefunden.

Die Mikrostruktur moderner Werkstoffe bestimmt maßgeblich deren makroskopische Materialeigenschaften. Die Orientierung von Verstärkungsfasern im Bauteil entscheidet über ihre mechanische Wirksamkeit, die Faserdickenverteilung in Vliesstoffen oder die Porenverteilung in Keramikschäumen über Filtrationseigenschaften, die Steglängen- und -dickenverteilung in Metallschäumen über ihre Fähigkeit, Stöße zu dämpfen, die Verteilung nanoporöser Beschichtungen über die Effizienz von Brennstoffzellen, Größen und Formen von Inhibitor-Partikeln über die Selbstheilungskräfte von Anti-Korrosions-Beschichtungen. Alle diese geometrischen Eigenschaften lassen sich aber nicht oder nur mit sehr großem Aufwand anhand von 2D-Bildern untersuchen. Hochwertige Volumenbilder komplexer Mikrostrukturen generieren die Computertomografie (CT), aber auch mikroskopische Verfahren kombiniert mit Serienschnitten mit Ultramikrotom oder fokussiertem Ionenstrahl.

Software-Lösungen für die 3D-Bildanalyse

Mavi (Modular Algorithms for Volume Images, www.mavi-3d.de) ist eine Bildverarbeitungs- und Bildanalyse-Software für die Analyse solcher Bilddaten. Es ist ein modulares System, das jeden Verarbeitungsschritt einzeln wähl- und parametrierbar anbietet. Das Ergebnis wird direkt angezeigt. Häufig wiederkehrende Algorithmenfolgen, wie die lokale Faserorientierungsanalyse oder die Trennung von Partikeln, sind in eigenen Modulen zusammengefasst. Damit eignet sich die Software zur Charakterisierung aller Materialien anhand von Volumendaten und vor allem für die explorative Analyse.
Tool IP (www.itwm.fraunhofer.de/toolip) ist eine Software zur interaktiven Entwicklung von Bildverarbeitungslösungen, die durch grafische Modellierung und Drag-and-Drop das schnelle Erstellen maßgeschneiderter Algorithmen ermöglicht, ohne Programmierkenntnisse zu erfordern. Die Kernfunktionalität umfasst zahlreiche mathematische Bildverarbeitungsalgorithmen als Plugins, die flexibel kombinierbar sind. Mit Tool IP entwickelte Lösungen lassen sich interaktiv für einzelne Bilder nutzen, automatisch auf Bildstapel anwenden und in Inspektionssysteme integrieren. Mavikit bildet die Mavi-Funktionalität zum Verarbeiten und Analysieren von 3D-Bilddaten als Tool-IP-Plugins ab und ermöglicht so Scripting und die Kombination mit nutzergeschriebenen Algorithmen. Die grafisch entworfene Bildverarbeitungslösung kann zudem auch im Batch-Modus angewendet oder von externen Programmen aus aufgerufen werden.


3D-Bildanalyse für das Bauingenieurwesen: Risse in Beton finden und charakterisieren

Beton ist ein sprödes Material. Risse sind daher ganz normal. Wo und bei welcher Belastung sie auftreten, sowie ihre Form, Größe und Ausrichtung geben wertvolle Informationen über den jeweiligen Beton. Biegeversuche und die Beobachtung der Riss­entstehung und -entwicklung an der Oberfläche von Betonproben sind daher Stand der Technik. CT liefert noch mehr Informationen, da sie die dritte Dimension hinzufügt und Rissbereiche zerstörungsfrei und unbeeinflusst abbildet. Die breite Anwendung gerade im Bauwesen wird aber durch den Konflikt zwischen hoher lateraler Auflösung einerseits und großen Proben andererseits behindert: Denn um die Mikrostruktur des Betons und die Rissentstehung zu erfassen, muss mit hoher Auslösung gescannt werden. Andererseits sind typische Betonproben erst ab einer Größe repräsentativ, die Mikro-CT mit Laborgeräten nicht mehr erlaubt. Das Tomografieportal Gulliver (rptu.de/projekte/gulliver) am Bauingenieurgerätezentrum der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) in Kaiserslautern wurde designt, um diesen Konflikt zu lösen. In ihm werden Druck- und Zugversuche an bis zu sechs Meter langen Betonbalken während der CT-Messung möglich sein. Die Anlage verfügt wie ein medizinisches CT-Gerät über eine Gantry, das heißt, Strahlenquelle und Detektor drehen sich um die Probe. Gulliver arbeitet aber mit wesentlich stärkeren Röntgenstrahlen – neun Megaelektronenvolt – als medizinische Röntgengeräte, sodass bewehrte Betonbauteile bis zu einem Durchmesser von 30 cm abgebildet werden können.

Wie findet man einen wenige Voxel breiten Riss in dem so entstandenen Terabyte Bilddaten? Genau diese Frage hat das Projekt Danobi [1] untersucht. Beton- und Rissstrukturen variieren je nach Anwendungsfeld sehr stark. Risse sind dünn und ihre niedrigen Grauwerte unterscheiden sich in CT-Bildern oft kaum von der heterogenen Mikrostruktur des Betons. Es ist deshalb schwierig, Rissstrukturen verlässlich automatisch zu segmentieren. Bekannte Lösungen für diese Aufgabe wurden systematisch verglichen und neue wurden entwickelt – sowohl klassische Bildverarbeitung als auch maschinelle Lernverfahren. In 2D-Bildern finden beide Ansätze Haarrisse auch auf heterogenem Hintergrund, die nur einen Pixel dick sind. In 3D lassen sich winzige, mikrometergroße Risse nicht nur erkennen, sondern die zu ihnen gehörenden Voxel auch identifizieren. Die Risse müssen dazu nicht breiter als drei Voxel sein [2]. Entscheidend für den fairen Vergleich der Methoden und für das Training der maschinellen Lernverfahren sind ausreichend viele Bilder, in denen der Riss voxelgenau bekannt ist. Da ein interaktives Markieren zu aufwendig ist und zu Inkonsistenzen führt, werden Rissstrukturen generiert und mit realen CT-Bildern zu realistisch wirkenden semi-synthetischen Bildern kombiniert [3, 4].


Gesteinskörnungen effizient und genau charakterisieren

Baustoffe enthalten Sand- und Kiespartikel. Diese beeinflussen die makroskopischen Eigenschaften des endgültigen Bauwerks entscheidend. Aktuell werden in der industriellen Praxis die Korngrößen durch Siebung eingestellt. Kornformen werden mit Stabsieben erfasst oder durch Einzelmessungen mit Kornformmessschiebern. Mikro-Computertomografie von Gesteinskörnungen bildet mehrere Tausend Partikel simultan ab und ermöglicht es, viele Merkmale zu bestimmen. Allerdings berühren sich die Partikel im Volumenbild und müssen daher vor der Analyse getrennt werden. Dafür sind schon seit Jahrzehnten Bildverarbeitungsmethoden auch in 3D etabliert. Sie machen jedoch zu viele Fehler bei Partikelsystemen mit stark variierenden Größen und bei Partikeln, deren Form sehr weit von kugelig abweicht. 

Die Partikel werden zunächst durch die lokalen Maxima der Abstandskarte markiert und dann mithilfe der Wasserscheiden­transformation getrennt. Die bekannte Neigung zur Übersegmentierung wird dabei durch Vorflutung gemildert. Wobei hier die bekannte Übersegmentierung durch Vorflutung gemildert wird. Anschließend werden verbleibende Fehler – in mehrere Fragmente aufgespaltene Partikel –  durch einen Random-Forest-Klassifikator erkannt und automatisch vereinigt. Durch das Training, das sich auf ein bis zwei 3D-Bilder beschränkt, werden Genauigkeiten erreicht, die die manuelle Korrektur überflüssig machen. Genauer gesagt, weniger als 3 Prozent der Kies- und Sandkörner, einschließlich mechanisch zerkleinerter Partikel, werden falsch segmentiert. Noch bemerkenswerter ist das Ergebnis für rezyklierte Materialien, bei denen die Rate der falsch segmentierten Partikel nicht mehr als 6 Prozent beträgt.

Autorin
Dr. Katja Schladitz, Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM


Referenzen
[1] DAnoBi (Detektion von Anomalien in Bilddaten), 05M20, gefördert im Rahmen des Programms „Mathematik für Innovationen“ des BMBF
[2] T. Barisin, C. Jung, F. Müsebeck, C. Redenbach, K. Schladitz (2022) Methods for segmenting cracks in 3d images of concrete: A comparison based on semi-synthetic images. Pattern Recognition 129
[3] C. Jung, C. Redenbach (2023) Crack Modeling via Minimum-Weight Surfaces in 3d Voronoi Diagrams. Journal of Mathematics in Industry 13
[4] C. Jung, C. Redenbach, K. Schladitz (2024) VoroCrack3d: An annotated semi-synthetic 3d image data set of cracked concrete. Data in Brief 54
[5] T. Nogatz, C. Redenbach, K. Schladitz (2024) MorphFlow: Estimating Motion in In Situ Tests of Concrete. Erscheint in Experimental Mechanics
[6] A. Alshembari, M. Kronenberger, S. Burgmann, K. Schladitz, W. Breit (2024) Separation of sand and gravel particles in volume images using a random forest.

Kontakt

Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM

Fraunhofer-Platz 1
67663 Kaiserslautern

+49 631 31600 0
+49 631 31600 1099

Top Feature

Spannende Artikel zu Fokus-Themen finden Sie in unseren E-Specials. Lesen Sie jetzt die bisher erschienenen Ausgaben.

Zu den E-Specials

Media Kit

Die Mediadaten 2025 sind jetzt verfügbar! Laden Sie sie hier herunter.

Industrie-Lexikon

Begriffe aus der Bildverarbeitung und Automation, die man kennen sollte

Zum Lexikon

Top Feature

Spannende Artikel zu Fokus-Themen finden Sie in unseren E-Specials. Lesen Sie jetzt die bisher erschienenen Ausgaben.

Zu den E-Specials

Media Kit

Die Mediadaten 2025 sind jetzt verfügbar! Laden Sie sie hier herunter.

Industrie-Lexikon

Begriffe aus der Bildverarbeitung und Automation, die man kennen sollte

Zum Lexikon