Plasma-Beschichtungen zerstörungsfrei und in Produktionsgeschwindigkeit prüfen
11.12.2024 - Inline-Qualitätskontrolle ultradünner Beschichtungen
Ein neuartiger Sensor ermöglicht es erstmals, Barriereschichten und andere funktionale Beschichtungen auf Kunststoffprodukten in Produktionsgeschwindigkeit zu prüfen. Der Sensor nutzt Infrarotmesstechnik, um dünne Beschichtungen mit einer Stärke von kleiner 10 nm bis 200 nm inline zu erfassen.
Plasma-Beschichtungen kommen in vielen Bereichen zum Einsatz. Sie werden beispielsweise auf Kunststoffverpackungen aufgebracht, um Lebensmittel zu schützen. Eine diffusionsdichte Schicht, zum Beispiel aus Siliziumoxid (SiOx) oder Aluminiumoxid (AlOx), bewahrt hochwertige Produkte wie Kaffee, Käse oder Nüsse vor schädlichen äußeren Einflüssen oder verhindert Aromaverlust. Aber auch in Haushaltsgeräten, in Brennstoffzellen, auf Fahrzeugteilen oder Pharmaprodukten kommen vergleichbare Dünnschichten zum Einsatz. Sie optimieren dort die Benetzbarkeit, die Haftungseigenschaften oder die Oberflächenchemie von Materialien oder schützen vor Korrosion. Bei alledem sind die Schichten vollkommen transparent und mit dem Auge nicht zu erkennen.
Bis heute gab es keine Möglichkeit, die Qualität von Plasmabeschichtungen inline und zerstörungsfrei zu überprüfen. Stand der Technik ist die stichprobenartige Qualitätsprüfung mit zeitaufwändigen Laborverfahren. Der von Fraunhofer IPM entwickelte Sensor ermöglicht nun eine prozessintegrierte 100-Prozent Einzelteilprüfung im Produktionstakt – auch für dreidimensional geformte, komplexe Oberflächen, wie sie beispielsweise für Verpackungen typisch sind.
Infrarotmesstechnik und Sensorprinzip
Die Forschenden nutzen die spezifischen und dickenabhängigen Reflexionseigenschaften der Beschichtungen für Infrarotlicht zur Qualitätskontrolle: Die chemische Bindung zwischen Atomen (beispielsweise die Si-O-Bindung) kann durch Infrarotlicht der passenden Wellenlänge resonant angeregt werden. Sowohl SiOx als auch AlOx weisen ein ausgeprägtes Infrarot-Schwingungsabsorptionsband bei etwa 1050 cm–1 (9,5 µm) beziehungsweise 770 cm–1 (13 µm) auf. Diese Eigenschaft ermöglicht eine klare Unterscheidung zwischen der Beschichtung und dem Polymersubstrat. Deren Brechungsindizes liegen sehr nahe beieinander, was optische Messungen wie Ellipsometrie oder Reflektometrie bei sichtbaren Wellenlängen erschwert. Die Infrarotreflexion dagegen kann als Maß für die Dicke dünner SiOx- oder AlOx-Schichten herangezogen werden. Der Vorteil einer Reflexionsmessung gegenüber Transmissionsmessungen ist darauf zurückzuführen, dass das Substratmaterial selbst absorbiert und in der Dicke leicht variieren kann.
Aus der Intensität des reflektierten Lichts lässt sich die Schichtdicke bestimmen. Auf diese Weise sind auch dünne Barriereschichten messbar. Die spezifische Auslegung der Sensoroptik ermöglicht es sogar auf gewölbten oder komplex geformten Bauteilen zu messen. Der Sensor Film-Inspect erfasst kein komplettes Infrarotspektrum, sondern gezielt die relevante Schwingungsbande, und zwar durch den Einsatz eines Filament-Emitters und eines pyroelektrischen Detektors mit optischer Filterung. Die Wahl der Filterwellenlänge hängt vom Beschichtungsmaterial ab und lässt sich materialspezifisch konfigurieren.
Zwischen dem gemessenen Infrarotsignal und der Schichtdicke besteht ein linearer Zusammenhang, der mittels Kalibrierung ermittelt wird. Der Nachweis für das Funktionsprinzip wurde in Kooperation mit der Firma Plasma Electronic mit Sitz in Neuenburg erbracht. Zur Kalibrierung werden echte Lebensmittelbehälter aus spritzgegossenem Polypropylen (PP) verwendet. Diese wurden von Plasma Electronic mittels plasmaunterstützter chemischer Gasphasenabscheidung (PE-CVD) und Atomlagenabscheidung (ALD) beschichtet. Die Beschichtung wird ausschließlich auf die Innenfläche der Behälter aufgetragen. Die Schichtdicke kann durch Anpassen der Dauer des Beschichtungsprozesses gesteuert werden. Dieser Zusammenhang wurde durch Beschichten von Siliziumscheiben und anschließende Messung mithilfe der Ellipsometrie charakterisiert.
Aufgrund der räumlichen Ausdehnung des Plasmas kann davon ausgegangen werden, dass, wenn ein kleiner Bereich einer Probe richtig beschichtet ist, die gesamte Probe eine Beschichtung enthält. Daher reicht die Auswertung nur eines Punktes der Probe aus, um die Qualität der gesamten Beschichtung zu bestimmen.
Aus den Messunsicherheiten (2σ) und der Geradensteigung lässt sich die Messgenauigkeit bezüglich der Schichtdicke bestimmen. In der Praxis kann diese für die verwendeten Proben bis zu ± 1 nm erreichen. Der Sensor kann also direkt zur Dickenmessung von Beschichtungen eingesetzt werden, sofern das Materialsystem aufgrund von Berechnungen oder aufgrund einer Kalibrierung hinreichend gut bekannt ist.
Integration in die Produktionslinie
Das schnelle Erfassen der Schichtdicke erweitert das Einsatzfeld der Methode über die reine Qualitätsinspektion hinaus: Die Messwerte können auch als Regelparameter direkt an eine Anlagensteuerung rückgekoppelt werden. Eine Profinet- sowie eine OPC-UA-Schnittstelle sorgen dabei für eine reibungslose Anlagenintegration.
Der etwa 20 × 40 × 80 mm große Sensor lässt sich in die Produktionslinie integrieren. In Produktionsprozessen können mehrere Sensoren gekoppelt werden, die via Profinet und OPC-UA mit der Anlagensteuerung kommunizieren. Für einfachere Anwendungen mit Einzelsensoren stehen eine USB-Schnittstelle und eine Auswerte-Software zur Verfügung.
Das Unternehmen Plasma Electronic beschichtet die spritzgegossenen Lebensmittelbehälter im Batch-Prozess mit acht Behältern in einer Reihe. Dazu werden acht Sensoren an einer Schiene unterhalb der Lebensmittelbehälter installiert und pneumatisch auf und ab bewegt, um die Schichtdicke automatisch zu messen. Der Messfleck befindet sich auf der ebenen Fläche im Behälterinneren. Die Messung erfolgt innerhalb von zwei Sekunden.
Neben der genannten Anwendung in einem Batch-Prozess wird Film-Inspect aktuell auch für den Einsatz in kontinuierlichen Verfahren sowie unter Vakuumbedingungen qualifiziert. Damit rückt künftig auch die Überwachung von Rolle-zu-Rolle-Beschichtungsanlagen in den Fokus.
Projekt O-Kuba
Die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten fanden im Rahmen des Projekts „O-Kuba – Optische Prozesskontrolle für ultradünne Barriereschichten“ statt. Dieses wird im Rahmen des Förderprogramms „Invest BW – Innovation II“ durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg gefördert (BW1_1002/02). Laufzeit: 01.04.2022 – 31.07.2024; Projektpartner: Fraunhofer IPM, Plasma Electronic GmbH.
Autor
Dr. Benedikt Hauer, Projektleiter am Fraunhofer IPM
Kontakt
*Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM
Georges-Köhler-Allee 301
79110 Freiburg
Deutschland