Die Evolution von Vision-Systemen in der Robotik
08.07.2024 - Künstliche Intelligenz in der Bildverarbeitung
Bildverarbeitungssysteme haben in den letzten Jahren die Effizienz, Genauigkeit und Produktivität in der Robotik erhöht. KI-gestützte Technologien befeuern den heutigen Fortschritt in der Robotik. Doch welche Vorteile haben diese Systeme und inwiefern unterscheiden sie sich von traditionellen Bildverarbeitungssystemen?
Die Automatisierung mit Robotern steigert seit 70 Jahren die Qualität, Effizienz und Produktivität in zahlreichen Industrien. Roboter arbeiten in Anwendungsbereichen wie der Montage, dem Schweißen, Lackieren, Verpacken oder der Maschinenbeschickung. Seit den 80er Jahren ermöglicht es die Bildverarbeitung, dass Roboter automatisch auf visuelle Eingaben reagieren und komplexe Aufgaben ausführen. Diese kamerabasierten Systeme verleihen Robotern einen menschenähnlichen Sehsinn und sind entscheidend, um Anwendungen zu automatisieren, die zuvor von Menschen erledigt wurden – beispielsweise die Qualitätskontrolle und Pick-and-Place-Aufgaben.
Doch bis heute haben traditionelle Bildverarbeitungssysteme ihre Grenzen. Sie verwenden Ad-hoc-Methoden, um Objekte in 2D-Bildern zu erkennen und zu lokalisieren. Das macht sie empfindlich gegenüber unvorhersehbaren und spontan auftretenden visuellen Abweichungen, wie Veränderungen in den Lichtverhältnissen. Auch mit 3D-Kameras ergeben sich aufgrund der Komplexität der Technologien Probleme, da sie oft auf fehleranfälligen Methoden wie Radar zur Messung beruhen. Um einen zuverlässigen Betrieb mit Vision-Systemen sicherzustellen, ist daher ein umfangreiches Ingenieurswissen notwendig, was die Automatisierung von Aufgaben mit hoher Variantenvielfalt schwierig und vor allem kostenintensiv macht.
Varianz verhindert robuste Roboterbewegungen
Darum führen in Fabrikumgebungen oftmals Menschen Aufgaben mit hoher Varianz aus. Zum Beispiel sind sie in der Herstellung von Kühlgeräten für die sogenannten Leckagetests verantwortlich. Bei dieser Aufgabe werden die Rohre auf der Hinterseite eines Kühlschranks, durch die Kühlgas fließt, auf ihre Dichtheit überprüft. Aufgrund der vielen Varianzen, die bei jeder Testepisode auftreten, wäre es nahezu unmöglich, die Aufgabe mit einem traditionellen Bildverarbeitungssystem zu automatisieren.
Hier sind Beispiele für mögliche visuelle Varianzquellen bei der Leckageprüfung:
- Die meisten Rohre auf der Hinterseite von Kühlschränken bestehen aus Kupfer, sie können jedoch auch ein anderes Material enthalten, wodurch sie anders aussehen. Zusätzlich sind einige Rohre verlötet, weshalb häufig Reste der Lötpaste als Tropfen übrigbleiben. Diese glänzen und variieren im Aussehen von Stück zu Stück.
- Einige Rohre wurden möglicherweise manuell geklemmt. Die zugepressten Rohre können in verschiedene Richtungen gebogen sein.
- Um mit der Leckageprüfung zu beginnen, müsste ein Roboter eine Prüfsonde in der Nähe einer Lötstelle oder der Stelle, an der es verschlossen wurde, positionieren. Die genaue Position des Rohres ist im Voraus nicht bekannt, ebenso die Position der Lötstellen.
- Der Hintergrund unterscheidet sich oft zwischen den Prüfepisoden. Auch die Lichtbedingungen können sich unterscheiden und Reflexionen und Spiegelungen aufweisen.
Für einen Menschen ist es recht offensichtlich, wo die Sonde zum Prüfen positioniert werden muss, auch in einer Szene mit wechselnder Beleuchtung und Varianz in der Position der Lötstellen. Traditionelle Bildverarbeitungssysteme hingegen reagieren auf optische Eingaben und sind oft auf eine Art visuelles Muster angewiesen, um die Prüfung durchzuführen. In dem oben beschriebenen Fall der Leckageprüfung würde der Roboter aufgrund der vielfachen Varianzen nicht zuverlässig genug reagieren, um die Aufgabe zu bewältigen.
Traditionelle vs. KI-gesteuerte Bildverarbeitung
KI-gesteuerte Vision-Systeme läuten einen Paradigmenwechsel in der robotergesteuerten Automatisierung ein. Mithilfe neuronaler Netzwerke befähigt eine KI-basierte Vision-Technologie Roboter, Aufgaben durch menschliche Demonstrationen zu erlernen. Auf Basis bildbasierter Steuergesetze bilden KI-gesteuerte Vision-Systeme Modelle von Aufgaben und entdecken eigenständig die visuellen Merkmale, die für deren Ausführung erforderlich sind. Diese Systeme können Abweichungen in Form, Position, Farbe und Lichtverhältnissen sowie Transparenz oder Spiegelungen ohne komplexe Codierung oder manuelles Feature Engineering bewältigen und überwinden die Einschränkungen traditioneller Systeme.
KI-gesteuerte Vision-Systeme bieten mehrere Vorteile gegenüber traditionellen Bildverarbeitungssystemen:
- Robustes Handling von Varianz: KI-gesteuerte Vision-Systeme können Abweichungen in Form, Position, Farbe und Beleuchtung bewältigen, wodurch sie sich für eine breite Palette von Anwendungen eignen. Auch mit Transparenz und Reflektion können sie umgehen.
- Kompatibilität mit vorhandenen Steuerungen: KI-gesteuerte Systeme können mit den nativen Robotersteuerungen arbeiten, was eine vollständige Systemüberholung überflüssig macht.
- Echtzeit-Anpassungsfähigkeit: Diese Systeme können Roboterbewegungen in Echtzeit generieren und sich an ändernde Umweltbedingungen anpassen, ohne vordefinierte Muster.
- Vereinfachte Inbetriebnahme: Anwender können das System durch einfache Handbewegungen trainieren, was einen hohen Entwicklungsaufwand sowie das manuelle Feature Engineering eliminiert.
- Vielfalt in der Anwendung: KI-gesteuerte Vision-Systeme sind vielseitig und eignen sich für eine breite Palette von Aufgaben wie das Kabelstecken, die Leckageprüfung, Maschinenbeladung, Gestellbestückung und das Verschrauben.
KI eröffnet neue Möglichkeiten für die Automatisierung
Traditionelle Bildverarbeitungssysteme waren in der industriellen Automatisierung von unschätzbarem Wert. Sie hatten jedoch bei nicht kontrollierbaren Varianzen ihre Grenzen – unter anderem im Umgang mit transparenten oder reflektierenden Werkteilen. Das Aufkommen von KI-gesteuerter Technologie ist eine neue Lösung, die Robotern ermöglicht, variable Aufgaben in Echtzeit auszuführen. Durch das Bewältigen von Varianz in Form, Position, Farbe und Lichtverhältnissen eröffnen diese Systeme neue Möglichkeiten für die Automatisierung in vielen Branchen.
Autor
Maximilian Mutschler, Vice President Sales bei Micropsi Industries
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