Ersetzt KI die traditionelle Messtechnik?
15.12.2023 - Künstliche Intelligenz in Messanwendungen
Wo sind die Grenzen von künstlicher Intelligenz? Ersetzt sie auf kurz oder lang die regelbasierte Bildverarbeitung und Messtechnik? Oder misst sie doch nur Mist? Mit diesen Fragen hat sich Markus Riedi, Geschäftsführer von Opto, befasst. Seine Antwort auf die letzte Frage lautet: „Nein, KI misst nicht Mist. Sie misst überhaupt nicht.“ Dennoch kann auch die Messtechnik die KI nicht einfach ignorieren.
Was ist das grundlegende Problem, für das wir die Messtechnik brauchen? Ziel ist es doch unsere Produkte schnellstmöglich umfassend und absolut zu Messen beziehungsweise deren Qualität eindeutig bestimmen und vergleichen zu können. Es geht darum das Risiko fehlerhafter Bauteile zu verringern oder besser ganz zu vermeiden. Aus diesem Grunde haben wir Normen, welche uns einen Anhaltspunkt geben, um physikalische Größen als Funktion der Qualität abzuleiten und zu messen. Meistens reduzieren wir die Qualitätskontrolle auf Stichpunktprüfungen einzelner Eigenschaften, aber selten sind wir in der Lage 100 Prozent der Produkte 100-prozentig zu prüfen.
Das heißt wir messen, meist manuell und hoffen, dass das, was wir messen, auch das Richtige ist. Jetzt soll KI das Messen übernehmen, wie uns viele Angebote versprechen. Fünf Klicks und ein bisschen klassifizieren soll genügen
Die Messgeräteintegration durch fünf Klicks ersetzen?!
In der Schulung werden einer Kamera jeweils zehn Scheiben präsentiert. Eine ist Schwarz, die anderen Weiß. Nach den Klicks und etwas Lernen erkennt die KI immer und wiederholbar die schwarze Scheibe. Ein schwarzes Schaf, wird gefolgert, kann auch ein unterschiedliches Abmaß, ein Kratzer, ein Längenunterschied oder eine fehlende Bohrung sein; also alles, was wir messen können. Echt jetzt!
Ich bin verblüfft, dass solche Maschen immer noch ziehen: sogar der hohe Preis für solche Lösungen schreckt nicht ab oder macht wenigstens stutzig. Nicht selten werden wir im Brustton der Überzeugung gefragt „Ja, wie misst denn ihre KI?“. Das impliziert, dem Fragesteller wurde schon oft erklärt, wie KI misst. Wenn ich dann sage: „Unsere KI misst Mist. und eigentlich brauchen wir gar keine, um ihr tatsächliches Problem zu lösen“, ist der Kunde meist weg. Es war schnell klar, dass alles braucht seine Zeit.
Qualität an sich ist eine Funktion der Herstellungsverfahren beziehungsweise ein Prozessparameter, genauso wie die eingesetzten Materialien, Umgebungsbedingungen und letztendlich die Anforderungen an die Produkte selbst. Da die Prozesse heute ausgereift sind, gibt es auch kaum Fehler und wenn, dann sind sie meist unterschiedlich, klein und schwer zu finden, gerade bei Stichprobenprüfungen. Da kann auch keine KI helfen. Denn was die KI nicht sieht, kann sie auch nicht klassifizieren beziehungsweise „Maßanomalien erkennen“.
KI ist kein Messmittel
Anstatt KI als neues Messmittel zu sehen, kann durch automatisierte Produktionsschritte ein frühzeitiges Erfassen all dieser Parameter mit entsprechenden Sensoren prinzipiell die endgültige Qualitätsprüfung entfallen, nach dem Motto: „Wenn alle Fertigungsschritte eingehalten wurden und alle Parameter bei der Produktion stabil waren, kann nur gute Qualität entstehen“.
Fragen, die sich Messtechnikhersteller heute also stellen müssen lauten:
- Ersetzt „Predictive Maintenance“ kombiniert mit einer umfassenden Sensorik in der Herstellung die traditionelle Messtechnik?
- Funktioniert das jetzt schon?
- Spielen Deep Learning und KI hier eine wichtige Rolle?
- Verändert das unser Marktumfeld?
- Funktioniert das überall?
Die Antworten lauten: JA – JA – JA - JA – NEIN
Klar ist: Ein Weiter so wird es definitiv nicht mehr geben. Wer als Hersteller von Messgeräten nicht seinen Weg findet mit KI zu leben, wird es nicht überleben!
KI ersetzt schon heute manche Messungen
Die meisten am Markt befindlichen KI-gestützten Lösungen helfen dabei, die Genauigkeit, Geschwindigkeit und Effizienz zu erhöhen. Bei hochstandardisierten und wiederholbaren Messungen ersetzen sie als voll automatisierte Prozesse bereits traditionelle Messverfahren.
Voraussetzung, damit diese KI-Systeme besser funktionieren als traditionelle Messtechnik, ist die Rückführbarkeit der Produktklassen und Qualitäten auf digitale Informationen über den Produktzustand, der Eigenschaften, der Herstellungsschritte und so weiter: Big Data also.
Im Umkehrschluss bedeutet das, dass bei Firmen, die schon jetzt kontinuierlich Daten in der Produktion erfassen können, mit dem Einsatz vergleichender Statistikfunktionen (Deep Learning) traditionelle Messverfahren durch eine KI-gestützte Prozesskontrolle ersetzen werden. Interessanterweise sprechen diese Firmen nie von einer messenden KI. Sie sprechen eigentlich gar nicht über KI, sondern verkaufen Lösungen. Heißt: KI funktioniert meist dort, wo man sie nicht sieht.
Für Anbieter von Messgeräten bedeutet es, sie müssen sich mit den Kunden mehr um das Erfassen von Prozessparametern kümmern als absolute Messwerte zu liefern. Diese Entwicklung hin zu einem Systempartner/integrator gelingt meist nur großen Firmen, die auch schon seit langem angefangen haben, ihre eigens auf ihren Plattformen gewonnenen Daten zu nutzen und damit eine enge Bindung zu ihren Kunden zu bekommen. Dadurch entstehen immer größere proprietäre Lösungsplattformen, denen die KI ermöglicht, ihre ihre Marktstellung auszubauen, bis hin zu neuen Businessmodellen („Sale per Test“). Das können sich allerdings nur wenige leisten.
„Auf in die Nische“
Was heißt das für kleinere Firmen sich in diesem Umfeld zu behaupten? „Auf in die Nische“, ist hier die Lösung. Hier kann jeder seinen Weg finden, um sich eigenes Daten-Know-how aufzubauen. Aber Software, Datenerfassung und neue Klassifizierungsmethoden anstatt absoluter Messtechnik ist auch in der Nische das Kredo.
Unternehmenserfolg hängt heute von folgenden Faktoren ab:
- Bedingungslose Kundenorientierung
- Extrem schnelle Reaktionszeiten
- Time to market & ultraschnelle Entwicklung
- Verfügbarkeit über Nacht (24 Stunden)
- Lösungen mit simpler Bedienbarkeit
- Geringe Produktionskosten
Diese Unternehmensplanung kombiniert mit KI-gestützter Datenerfassung in der Produktion als auch bei der Produktbewertung und Klassifizierung ist die Erfolgsformel der Zukunft.
Einfache Bedienbarkeit und offene Schnittstellen
Wir bei Opto haben frühzeitig in eigene bildgestützte Software-Lösungen zu unseren Messsensoren investiert. Zudem haben wir auf offene Hardware und Software-Schnittstellen gesetzt und uns in der Nische der Mikroskopie als Automatisierungsspezialist positioniert. Die neuen Imaging Module sind folgerichtig Mikroskopsensoren, die als Datengeneratoren wiederholbare Bildinformationen liefern. Mit der firmeneigenen Bildverarbeitungsalgorithmik gekoppelt beziehungsweise mit Schnittstellen zu KI-Plattformen und eigene Embedded-Lösungen mit integrieten Convolutional neural networks (CNN) werden aus normalen Imaging-Modulen IoT-Sensoren.
Zu der Vielzahl an Digitalmikroskopen (Imaging-Module) für Industrie und Biomedizin haben wir auch eigene KI-Lösungen in Entwicklung, die auf unserer Solino-Sensorik basieren und über die Streulichtauswertung von Informationen eine großflächige, schnelle, umfassende und 100-prozentige Anomalieauswertung von Oberflächen ermöglicht.
Solino erfüllt alle Voraussetzungen, um KI-lose Messtechnik in speziellen Nischen abzulösen. Dann gilt „KI misst keinen Mist mehr“. Das kann aber nur über eine enorme Datenmenge Informationen funktionieren. 64 analysierte Einzelbilder einer einzigen Probe werden zu einem zu klassifizierbaren Anomaliebild herangezogen oder gleich aussortiert. Solino ersetzt 80 Prozent einer KI-Lösung. Zusammen mit einer passenden Plattform kann die Technologie superschnell an Applikationen angepasst werden oder auch existierende Messzyklen ersetzen. Aber auch hier gilt: KI misst nicht und misst somit auch nicht Mist.
Autor
Markus Riedi, Geschäftsführer von Opto
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