Optikkomponenten schnell und genau ausrichten
07.12.2023 - Wellenfrontbasierte Optik-Justage
In optischen Qualitätssicherungssystemen führen auch kleinste Abweichung der Positionierung der einzelnen Komponenten zu großen Auswirkungen auf die Performance des gesamten Systems. Das Fraunhofer IPT hat mit der wellenfrontbasierten Optik-Justage eine Methode entwickelt, die ein sehr genaues Ausrichten der Komponenten ermöglicht und zugleich sehr schnell arbeitet.
Ein stetiger Fokus der Forschung und Entwicklung im Bereich der Optikproduktion liegt auf der Verbesserung der Qualität der optischen Elemente bezüglich Oberflächengüte, Formtreue und Brechungsindexhomogenität. Hierdurch sollen optische Elemente produziert werden, die scharfe Abbildungen erzeugen und damit für Hochleistungsapplikationen geeignet sind. Ein entscheidender Aspekt, der hierbei häufig außer Acht gelassen wird, ist, dass die Qualität der einzelnen Komponente zweitrangig ist, wenn die Komponenten des Gesamtsystems nicht gut zueinander ausgerichtet sind, wenn also keine ausreichende Justage-Genauigkeit erreicht wird. Selbst kleinste Abweichung der Positionierung der einzelnen Komponente im Bereich von Mikrometern können große Auswirkungen auf die Performance des gesamten optischen Systems haben. Mit Blick auf die wettbewerbsfähige Produktion muss hierbei ein Kompromiss zwischen Geschwindigkeit und Genauigkeit der Justage des optischen Systems gefunden werden.
Das Fraunhofer IPT hat eine Methode entwickelt, die Geschwindigkeit und Genauigkeit in der Justage von optischen Systemen miteinander verbindet - die wellenfrontbasierte Optik-Justage. Die Methode basiert auf der Messung der Wellenfront des gesamten optischen Systems, welche die Informationen über alle Positionen aller optischen Elemente des Systems enthält. Um sie zu extrahieren und für die Justage zu verwenden, wurde ein komplexes Modell mit einer großen Anzahl an Simulationen trainiert. Dieses Modell ist, basierend auf einer gemessenen Wellenfront, in der Lage, notwendige Justage-Schritte zu berechnen.
Derzeit etablierte Verfahren für die Justage von komplexen, optischen Systemen sind entweder nur auf sphärische Komponenten anwendbar, so wie die Methode der Autokollimation, oder bedürfen zusätzlicher Sensoren, mit denen jede Komponente einzeln justiert wird. Die wellenfrontbasierte Methode eignet sich für sphärische, asphärische und Freiformoptiken und ermöglicht es, die Position aller optischen Komponenten mit einer Messung zu ermitteln und anschließend zu korrigieren. Eine Herausforderung, die sich der wellenfrontbasierten Optik-Justage stellt, ist, dass auch Fehler der optischen Elemente in Form oder im Material einen Einfluss auf die resultierende Wellenfront haben. Diese Einflüsse müssen von den Einflüssen der Dejustage unterschieden werden.
Entschlüsseln der Wellenfront
Jedes optische Element, das in den Strahlengang des Systems eingebracht wird, verändert dessen ebene Wellenfront. Die gemessene Wellenfront ist demnach nicht mehr eben, sondern in einer bestimmten Art und Weise verformt. Diese Verformung lässt sich mit den sogenannten Zernike-Koeffizienten beschreiben. Die Genauigkeit der Beschreibung der Wellenfront hängt dabei von der Anzahl der verwendeten Koeffizienten ab. Die Justage von optischen Elementen nutzt dabei aus, dass einzelne Zernike-Koeffizienten mit bestimmten Freiheitsgraden des optischen Systems verknüpft sind.
Jedoch stehen die einzelnen Koeffizienten auch in einem komplexen Zusammenhang zueinander und die Wellenfronten der einzelnen optischen Elemente überlagern sich. Um beispielsweise aus einer gemessenen Wellenfront auf eine Kippung einer einzelnen Linse zu schließen, bedarf es aufwändiger Berechnungen und einer sehr guten Kenntnis des Systems.
Überführung der gemessenen Wellenfront in Justage-Schritte
Um die gemessene Wellenfront in notwendige Justage-Schritte der einzelnen optischen Komponenten zu überführen, muss zunächst die ideale Wellenfront des optischen Systems aus Simulationen bekannt sein. Aus ihr und der gemessenen Wellenfront wird die Differenz zwischen den beiden Wellenfronten berechnet. Anschließend muss ein Gleichungssystem gelöst werden, dessen Lösung die Position aller optischen Elemente enthält. Die Lösung dieses Gleichungssystems ist nur mit umfassenden Vorkenntnissen des Systemverhaltens lösbar. Es muss also bekannt sein, wie das System aussieht, aus wie vielen Komponenten es sich zusammensetzt und vor allem, wie es sich bei der Dejustage einzelner Komponenten verhält. Daher wurde ein Modell entwickelt, das mit einer ausreichenden Menge an Trainingsdaten zur Lösung dieses Gleichungssystems in der Lage ist. Diese Trainingsdaten werden mit optischen Simulationen erzeugt. Hierzu wird das zu justierende optische System digital nachgebildet und die von ihm erzeugte Wellenfront simuliert. Anschließend werden systematisch Komponenten des Systems dejustiert und die jeweils entstehende Wellenfront gespeichert. Basierend auf diesen Daten kann das Modell das Verhalten des optischen Systems erlernen und anschließend basierend auf der gemessenen Wellenfront die Justage Schritte kalkulieren. Für jedes optische System muss diese initiale Bestimmung des Verhaltens unter Dejustage des optischen Systems einmal erfolgen.
Die Technologie hinter der Wellenfrontmessung
Die hochgenaue Bestimmung von Justage-Schritten im einstelligen Mikrometerbereich lässt sich nur durch präzise Messtechnik erreichen. Dem entwickeltem System liegt ein Shack-Hartmann-Wellenfrontsensor (SHS) zugrunde. Dieser setzt sich aus einer hochauflösenden Kamera, typischerweise eine CCD-Kamera, und einem Mikrolinsenarray zusammen, das die eintreffende Wellenfront auf die CCD-Kamera abbildet. Jede Mikrolinse fokussiert einen Punkt auf die Kamera, die Veränderung der Position dieses abgebildeten Punktes weist auf eine Neigung der Wellenfront hin.
Das Mikrolinsen-Array bringt bestimmte Konfigurationsbeschränkungen mit sich. Die laterale Auflösung ist durch die Anzahl der Mikrolinsen begrenzt. Während typische Arrays Dutzende bis einige Hundert Linsen (in beide Dimensionen) umfassen, kann dies die Wiederholbarkeit der Messung beeinträchtigen – insbesondere bei Zernike-Koeffizienten höherer Ordnung, die eine höhere Auflösung erfordern. Außerdem wird die axiale Auflösung durch die Brennweite der Mikrolinsen eingeschränkt. Längere Brennweiten erhöhen die Empfindlichkeit bei sehr kleinen Wellenfrontverschiebungen, werden aber durch Beugungseffekte eingeschränkt. Umgekehrt wird die minimale Brennweite von der Abbildungsqualität der Kamera diktiert und erfordert für eine präzise Positionsbestimmung Bildpunkte, die auf mehr als fünf Pixel fallen. Für die Positionierung der einzelnen Komponenten werden zudem hochpräzise Achsen eingesetzt, die eine laterale Positionierung der Komponenten ermöglichen, und auch eine Kippung der Komponenten um zwei Achsen (Es wird von rotationssymmetrischen Komponenten ausgegangen.).
Potenziale und zukünftige Herausforderungen
Die Methode der wellenfrontbasierten Optik-Justage hat das Potenzial, die Effizienz und Qualität der Produktion von hochkomplexen optischen Systemen, die sich aus Freiformoptiken und Asphären zusammensetzen, entscheidend zu steigern. Dadurch dass die Ermittlung des Fehlers in der Wellenfront und der damit verbundene Justagevorgang, wenn das optische System bekannt ist, nur wenige Sekunden dauern, lassen sich potenziell sehr niedrige Taktzeiten erreichen. Diese Tatsache, kombiniert mit der Auflösung im Mikrometerbereich, befähigt die wellenfrontbasierte Optik-Justage in Zukunft, Anwendung im Bereich der Produktion von komplexen optischen Systemen zu finden.
Neben den großen Potenzialen bestehen aber auch Herausforderungen, die weiterführende Forschungsanstrengungen notwendig machen. So war es bisher möglich, die Funktionalität des Ansatzes an optischen Systemen mit wenigen Elementen unter Beweis zu stellen, der Transfer auf optische Systeme mit einer größeren Zahl an Komponenten steht allerdings noch aus. Zudem wurden bisher die Toleranzen der optischen Elemente nicht in die Simulationen, die die Grundlage für das Training des Modells bilden, mit einbezogen. Um die Forschungsergebnisse auf reale Applikationsumgebungen zu applizieren, müssen die Toleranzen der optischen Elemente zwingend berücksichtigt werden. Zuletzt ist die Halterung der optischen Elemente während des Justage-Vorgangs eine Herausforderung, da diese eine Fixierung oder Verklebung der optischen Elemente ermöglichen muss.
Autoren
Alfredo Velazquez Iturbide, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Produktionsmesstechnik des Fraunhofer IPT
Enno Hachgenei, Gruppenleiter Optische Messtechnik und Bildgebende Verfahren in der Abteilung Produktionsmesstechnik des Fraunhofer IPT
Kontakt
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT
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