Schwingungsmessung mit kapazitiven MEMS-Sensoren
02.11.2022 - Schwingungssensor liefert Informationen für die detaillierte Zustandsanalyse von Maschinen
Rotation erzeugt Vibration. Deshalb hat jede motorgetriebene Maschine ein charakteristisches Schwingungsmuster. Mit zunehmender Abnutzung verändert sich dieses langsam, bei plötzlich auftretenden Schäden abrupt. Ein Schwingungssensor kann die Muster sehr präzise und differenziert abbilden, sodass sich daraus Schlüsse über den Zustand der Maschine oder bestimmte Komponenten ziehen lassen.
Das typische Merkmal eines einwandfreien Maschinenzustands hat es sogar ins Reich der Redewendungen geschafft: Wenn alles in Ordnung ist, „läuft es rund“. Die korrekte Funktion der rotierenden Teile, bei minimalem Spiel und optimaler Kraftwirkung ist mit einem bestimmten Schwingungsmuster verbunden. Neben dem unvermeidlichen Verschleiß wirken auch Verschmutzung, Materialermüdung und von der Vibration selbst ausgelöste Effekte wie die Lockerung mechanischer Verbindungen auf das Muster ein. Erfahrungswerte verbinden die allmähliche Veränderung mit den Einsatzzeiten: Nach einer bestimmten Anzahl an Betriebsstunden sollten bestimmte Schrauben nachgezogen, bestimmte Lager oder Dämpfer ausgetauscht werden, um Schäden zu vermeiden und die Funktion der Maschine zu erhalten. Die Fristen sind in der Regel mit großzügigen Puffern berechnet, die unerlässliche Wartung wird in den meisten Fällen wahrscheinlich zu früh durchgeführt.
Wartung nach tatsächlichem Zustand der Maschine, nicht nach Betriebsstunden
Hier spielen auch Sicherheitserwägungen eine Rolle. Bei großen Maschinen mit entsprechend schweren, rotierenden Komponenten entstehen ebenso große Fliehkräfte. Wenn hier eine Unwucht oder ein beschädigtes Lager im Spiel ist, kann das zum einen teure Folgeschäden an der Maschine nach sich ziehen, aber auch zur Gefahr für die Menschen werden oder für benachbarte Anlagen und Einrichtungen. Die Normen der Funktionalen Sicherheit fordern in solchen Fällen definierte Sicherheitsstufen nach SIL oder PL für die Maschinen und Anlagen. Um sie zu erreichen, ist häufig eine normierte Schwingungsmessung vorgeschrieben. Mit oder ohne Sicherheitsvorschriften möchte man Maschinenschäden grundsätzlich vermeiden. Die Schwingungsmessung eröffnet hier die Möglichkeit, die Wartung nicht mehr an den Betriebsstunden, sondern an dem tatsächlichen Zustand der Maschine auszurichten. Indem die Schwingungsmuster präzise erfasst und differenziert abgebildet werden, erhält man präzise Auskunft über die relevanten Funktionskomponenten.
Pepperl+Fuchs setzt bei der Schwingungsmessung auf kapazitive MEMS-Sensoren, die aufgrund ihrer Robustheit dauerhaft genaue Messergebnisse liefern. Die Geräte der VIM-Baureihen zeichnen sich durch einen breiten Frequenzbereich von 1 bis 1.000 Hz aus. Sie erfassen sowohl die Geschwindigkeit als auch die Beschleunigung der Schwingung. Die Mittelwertbildung für die normierte Schwingungsmessung wird im Sensor selbst durchgeführt: Er kumuliert die Beschleunigungswerte aus einer definierten Zeitspanne von bis zu 12 Sekunden und errechnet daraus den quadrierten Mittelwert (Root Mean Square, RMS) der Beschleunigung.
Auf diese Weise werden Spitzenwerte gekappt, um kurzzeitige Einwirkungen auf das Schwingungsverhalten herauszufiltern. Da Schwingungssensoren jede Vibration über einem Mindestwert erfassen, könnten sonst zum Beispiel Erschütterungen im Boden oder die Bewegung eines vorbeifahrenden Fahrzeugs zu einen Fehlalarm führen. Mit dem bereits gemittelten Effektivwert erhält die Steuerung nur das Messergebnis, das den Rundlauf der Maschine abbildet. Die irrelevanten Ausschläge gehen so auch nicht in die Trendbetrachtung ein, aus der sich allmähliche, verschleißbedingte Veränderungen in der Maschine oder an ihren Komponenten ablesen lassen. Da man bestimmte Schwingungsmuster einzelnen Maschinenteilen zuordnen kann, wird eine zudem sehr detaillierte Diagnose möglich.
Festlegung der Grenzwerte bei der Parametrierung
Die Grenzwerte für eine Sicherheitsschaltung oder für das Auslösen definierter Wartungseinsätze können bei der Parametrierung der Geräte festgelegt werden. So lässt sich die Zahl der Einsätze reduzieren, während gleichzeitig auch das Risiko eines ungeplanten Stillstands sinkt. Gerät das Schwingverhalten in einen kritischen Bereich, wird das entsprechenden Signal an die Maschinensteuerung ausgegeben. Das Portfolio der VIM-Baureihen enthält Geräte, die als Teil der Regelkette bereits als sicher eingestuft und zugelassen sind. Mit diesem Zertifikat für eine sichere Kontrollfunktion der Sensoren verringert sich der Aufwand für die Zertifizierung der Maschine oder Anlage.
Schwingungssensoren mit unterschiedlichen Spezifikationen
Das Portfolio der VIM-Schwingungssensoren umfasst drei Geräteserien mit unterschiedlichen Spezifikationen. Unter anderem gibt es explosionsgeschützte Varianten, Geräte mit einem großen Temperaturbereich, mit besonders robustem Gehäuse, mit Schutzarten bis IP67, weltweit gültigen Zulassungen sowie mit der Option für webbasierte Fernwartung per IO-Link. Die Serien und ihre Hauptmerkmale:
- VIM3: kompakt, für Anwendungen bis SIL 1/PL c,
- VIM6: für explosionsgefährdete Bereiche bis Zone 1/21, großer Temperaturbereich (-40 bis +125 °C),
- VIM8 – Heavy-Duty-Serie für den Offshore-Einsatz und raue Umgebungen, robustes Gehäuse aus Duplexstahl, für Ex-Zone 1/21 sowie für SIL 2/PL d zertifiziert.
Die Parametrierung kann jeweils direkt am Gerät erfolgen, die Inbetriebnahme ist bei allen drei Serien gleich einfach konzipiert und kommt ohne zusätzliche Programmierung aus. In der Serie VIM3 steht optional eine IO-Link-Schnittstelle zur Verfügung. Mit diesem Kommunikationskanal wird die gleichzeitige Erfassung mehrerer Messwerte möglich: gemittelte Schwingbeschleunigung (g rms), Spitzenwerte (g peak), Lagerzustandskennwert zur direkten Beurteilung von Kugellagern, Temperatur.
Möglichkeiten durch IO-Link
IO-Link eröffnet zudem zusätzliche Einstellungsmöglichkeiten, darunter ein einstellbares Schaltsignal, das parallel zur IO-Link-Kommunikation eingerichtet wird. Damit lässt sich etwa die Drehzahl absenken oder ein gezielter Wartungseinsatz automatisch auslösen. Eine weitere Option ist das Feintuning der Zustandsanalyse. Man kann zum Beispiel eine Toleranzspanne festlegen, während derer ein kritischer Schwingungswert überschritten werden darf, ohne dass ein Warnsignal ausgelöst oder eine Sicherheitsschaltung herbeigeführt wird. Hier lässt sich ein zusätzlicher Zähler oder eine Betriebszeitmessung implementieren, ohne dass die Rechenkapazität der Steuerungsebene in Anspruch genommen wird. Die Trigger-Einstellung erfolgt direkt im Sensor. Mit dem IO-Link-Gerät kann man präzise und differenzierte Parameter für die zustandsabhängige Wartung der Maschine festlegen und beträchtliches Einsparungspotenzial erschließen.
Autor
Markus Egerer, Produktmanager