Automatisierung

„KI lebt von Daten“

Im Interview: Bernhard Lehner, verantwortlich für Industrial Innovations bei Keba

06.09.2022 - Künstliche Intelligenz wird für die Industrie immer wichtiger. Ob sich der Einsatz für jeden lohnt, wie KI die Wertschöpfung in der Produktion steigern kann und wo der Unterschied zwischen schwacher und starker KI liegt, darüber sprechen wir mit Bernhard Lehner von Keba.

Bernhard Lehner
"Der Trend der künstlichen Intelligenz breitet sich in zahlreichen Anwendungen in der Automatisierung aus und beeinflusst viele andere Trends wie Massenpersonalisierung (Stichwort: Los­größe 1), selbstfahrende/autonome Fahrzeuge und ­smarte Logistik stark." Bernhard Lehner, Keba

 

Welche Rolle spielt KI heute schon in den Unternehmen – und welche Rolle spielt hierbei die Unternehmensgröße?

Bernhard Lehner: Der Konsumerbereich ist mittlerweile Trendbarometer und Technologievorreiter für die Industrie geworden. In jedem Smartphone, Tablet, etc. ist mittlerweile KI zu finden. Auch in der Industrie gilt: Wie mache ich das Leben/Arbeiten leichter – Stichwort Smart Factory, Smart Robot, etc. Steigende Komplexität, kürzere Entwicklungszyklen und wachsende Variantenvielfalt bei hoher Individualisierung sind Aufgabenstellung unabhängig von der Unternehmensgröße. In der klassischen Automatisierung wird mit aufwendigen hart codierten Programmen gearbeitet und jede Änderung der Anwendung macht eine Umprogrammierung durch Experten nötig. Durch KI und Assistenzsysteme kann ein Prozess einfacher auf Veränderungen adaptiert werden, wodurch der Anpassungsaufwand sinkt und es zu weniger Unterbrechungen kommt. Dies bringt erhebliche Erleichterungen und es werden weniger Ressourcen benötigt, was beim aktuellen Facharbeitermangel zusätzlich Mehrwerte schafft.

Was ist Ihre Einschätzung, wo stehen wir aktuell hinsichtlich KI in der Automatisierung?

Bernhard Lehner: Vorhersagesysteme, Objekterkennung, Navigation, etc. sie alle beruhen auf KI. Gerade Roboterhersteller setzen KI ein, um Bewegungsabläufe zu optimieren und Maschinenbauer arbeiten an Predictive Maintenance, um die Verfügbarkeit zu erhöhen. Wir als Keba beschäftigen uns schon seit längerem mit diesem Thema und sind der Meinung, dass neben cloudbasierten Lösungen aufgrund diverser Anforderungen wie Echtzeitfähigkeit, Datenhoheit, Security, Verfügbarkeit, etc. lokale und industrietaugliche KI-Systeme zur autonomen Steuerung von Prozessen wesentlich sind. Hierfür arbeiten wir an einer industrietauglichen Hardware und der dazugehöriger Toolchain. Der Fertigstellungsgrad ist schon sehr weit fortgeschritten und wir bereiten die Markteinführung vor.

Wo liegen derzeit die Grenzen?

Bernhard Lehner: Fehlende Kompetenzen in Unternehmen, fehlendes Fachpersonal und Experten wie unter anderem Data Scientists. Bislang gemachte Erfahrungen mit dieser innovativen Technologie sind oftmals Problemstellungen. Bei Unterstützung durch zum Beispiel branchenfremde IT-Anbieter fehlt meist das tiefe Domänenwissen zu den Kundenprozessen. Unterschiedliche Lösungen sind nicht immer kompatibel und es fehlt eine gemeinsame Datenbasis. Auch ist die Frage, wer die Daten bekommt und wem diese gehören, noch immer schwer zu beantworten. KI lebt von Daten und wird auf Basis dieser laufend weiter optimiert. Jedoch wollen viele Kunden diese Daten nicht an Dritte weitergeben, da dadurch auch anderer Mitbewerber profitieren könnten. Zum Schluss ist das Angebot lokaler Lösungen mit ausreichender Performance und indus­trietauglicher Hardware noch begrenzt.

Lohnt der Einsatz von KI in allen Bereichen oder muss man hier differenzieren?

Bernhard Lehner: Dies ist individuell je Kunde und Anwendung zu betrachten. Wir unterscheiden hier zwischen zwei Ansätzen: Einerseits komplexe Vorgänge, die durch Assistenzsysteme einfacher gestaltet werden können und die Qualität respektive Verfügbarkeit durch Anomalieerkennung und Predictive Maintenance erhöht werden. Und andererseits Anwendungen, bei denen die Produktivität weiter gesteigert werden muss oder die Produktivität bei größerer Varianz gleichbleiben soll.

Und inwieweit kann KI an der Maschine respektive der Steuerung einen Mehrwert für den Anwender schaffen?

Bernhard Lehner: Neben der einfachen Automatisierung von Arbeitsschritten unterstützen unter anderem kamerabasierte Systeme und Assistenzsysteme den Bediener und schaffen so Mehrwerte. Stichwort Easy to use. Die Datenanalyse und -interpretation für Vorhersagen zu Planabweichungen vs. Ist-Zustand bezüglich Produktionsplanung, Tausch von Verschleißteilen, Qualität IO/NIO etc. liefern echte Mehrwerte.

Wie können Methoden der Künstlichen Intelligenz die Wertschöpfung im Betrieb steigern?

Bernhard Lehner: Ähnlich zur allgemeinen Automatisierung ermöglichen es Anwendungen der Künstlichen Intelligenz, dass Maschinen echte menschliche Aufgaben erledigen. Zu den gängigen Fähigkeiten, die derzeit von KI nachgeahmt werden, gehören visuelle Wahrnehmung, Spracherkennung, Entscheidungsfindung und Anpassungsfähigkeit. Der Trend der Künstlichen Intelligenz breitet sich in zahlreichen Anwendungen in der Automatisierung aus und beeinflusst viele andere Trends wie Massenpersonalisierung (Stichwort: Losgröße 1), selbstfahrende/autonome Fahrzeuge und smarte Logistik stark. Von der Bildverarbeitung in Werkshallen bis hin zum Verständnis natürlicher Sprache oder Gestensteuerung ist Künstliche Intelligenz nicht mehr wegzudenken. Viele dieser Funktionalitäten kennen wir bereits aus dem täglichen Leben und dem Konsumerbereich.

 Bei dem Begriff Künstliche Intelligenz entsteht häufig der Eindruck, es stecke eine homogene Technologie dahinter. Doch dahinter verbirgt sich eher eine Vielzahl verschiedener Methoden, Verfahren und Technologien. Welche gibt es und welche sind für die Automatisierung interessant?

Bernhard Lehner: Als Disziplin umfasst die KI mehrere Ansätze und Techniken. Darunter fallen etwa das maschinelle Lernen inklusive Modellierung neuronaler Netze oder das maschinelle Denken in den Bereichen Planung, Terminierung, Suche und Optimierung. Gemeinsam mit anderen Feldern wie Robotik ergeben sich damit viele neue Teilbereiche. Was den Eindruck einer inhomogenen Technologie verstärkt, ist die Unterteilung in eine sogenannte schwache und starke Künstliche Intelligenz.
Unter einer schwachen KI werden Systeme und Anwendungen verstanden, die selbstständig lernen und agieren, die aber nicht allein entscheiden, sondern Regeln und Vorschriften befolgen müssen. Sie besitzen also nicht die vollen kognitive Fähigkeiten, wie das menschliche Gehirn. Letztendlich sind solche Algorithmen darauf trainiert, Daten zu klassifizieren, basierend darauf, wie sie trainiert wurden. Es gibt also kein Abweichen vom programmierten Weg. Schwache KI modelliert also intelligentes Verhalten für ganz spezifische Aufgaben. Im Gegensatz zur schwachen KI zeichnet sich eine starke KI durch eine zum Menschen ebenbürtige Intelligenz aus. Es handelt sich um eine universelle Intelligenz. Ob eine starke KI jemals ein eigenes Bewusstsein erreichen oder Gefühle aufweisen wird, ist allerdings stark umstritten. Interessant sind beide Ansätze, aber wenn wir über KI in der Automatisierung sprechen, ist aktuell immer eine schwache KI gemeint.

Wie kann KI dabei unterstützen, bessere Entscheidungen im Prozess zu treffen?

Bernhard Lehner: Wesentlich ist die Nutzung und Interpretation der Daten und die daraus abgeleiteten Services. Plakativstes Beispiel ist Predictive Maintenance: die proaktive und vorausschauende Wartung zum perfekten Zeitpunkt, die kostspielige Stillstände reduziert.

Welche Voraussetzungen sind für den effektiven Einsatz von KI im Unternehmen notwendig?

Bernhard Lehner: Voraussetzung sind primär die verfügbaren Services und Produkte.  Natürlich kann auch hier jedes Unternehmen selbst aktiv sein, Know-how und Ressourcen aufbauen (Stichwort Data Scientists), aber das macht nur bei wenigen Unternehmen Sinn, weil hier die Kostenstruktur schnell an ihre Grenzen kommt. Denn Wissen und Erfahrung in diesem Bereich müssen über Jahre aufgebaut werden. Wesentlich ist es, die Integration von KI „Easy to Use“ zu machen. Wir als Automatisierungsexperte versuchen, unseren Kunden solche Lösungen und Sorglospakete zu bieten. (agry)

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