Silikon als Basismaterial für Sensoren und Aktoren
Werkstoff mit Potenzial
„Eine intelligente funktionelle Komponente aus Silikon für die industrielle Anwendung?“ Während das Material in der Medizintechnik weit verbreitet ist, begegnet einem diese Frage im industriellen Umfeld sehr häufig. Doch geeignet verpackt, kann es für sehr harsche Anwendungen eingesetzt werden, in welchen zum Beispiel regelmäßig Schläge oder Scherkräfte auftreten. Durch seine hochelastische Eigenschaft kann sich das Material an die Umgebung anpassen, Toleranzen ausgleichen und Stöße dämpfen. Zudem kann Silikon durch seine hautähnlichen Eigenschaften auch dort eingesetzt werden, wo die Maschine menschlich wirken soll und delikate Aufgaben zu erfüllen hat, wie zum Beispiel in der Robotik.
Silikon – hochwertiges Elastomer
Silikon als Basismaterial für Sensoren und Aktoren eignet sich vor allem in Anwendungen, bei denen hohe Dehnungen auftreten und eine Flexibilität oder ein Ausgleich von Toleranzen oder der Form eines Werkstücks gefragt ist. Kein anderes Elastomer kann großen, wiederkehrenden Verformungen ohne signifikante Einbußen in der Wiederholbarkeit und Lebensdauer standhalten. Silikon verfügt über einen sehr geringen sogenannten Druckverformungsrest, das heißt, das Elastomer kehrt nach einer Verformung ohne wesentlichen mechanischen Verlust in seine Ursprungsform zurück. Das Material behält seine elastische Eigenschaft über einen sehr großen Temperaturbereich von typischerweise -40 °C bis +200 °C bei und eignet sich deshalb auch für den Einsatz unter anspruchsvollen Umweltbedingungen. Eine gewisse Vorsicht ist bei direktem Kontakt mit Ölen, Fetten, Laugen und Säuren geboten. Kann die richtige Kombination von Silikon und Medium verwendet werden, steht auch solchen Anwendungen grundsätzlich nichts im Wege.
Das reine Silikon hat elektrisch isolierende Eigenschaft. Damit es als funktionelles Material verwendet werden kann, müssen dem Elastomer Zusatzstoffe beigemischt werden. So kann zum Beispiel eine elektrische Leitfähigkeit erreicht werden, indem mikroskopisch kleine Kohlenstoff- oder Metallpartikel in genügender Konzentration beigemischt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass eine genügend hohe Leitfähigkeit erreicht werden kann, ohne dass die elastischen Eigenschaften des Materials signifikant geschwächt werden. Dies kann über Funktions- und Lebensdauerprüfungen sichergestellt werden.
Die intelligente elektronische Haut
In vielen industriellen Prozessen von der automatisierten Handhabung von Werkstücken, über das Fügen von delikaten Gegenständen bis hin zur sicherheitstechnischen Überprüfung von Lasten müssen Kräfte und Drücke gemessen werden. Die menschliche Haut hat dafür ein außerordentlich feines und komplexes Sensorsystem zur Verfügung, das dem Menschen ein intuitives und genaues Arbeiten ermöglicht. Das Material Silikon kommt den mechanischen Eigenschaften der Haut sehr nahe. Durch eine geeignete Auslegung der Form und der Leitfähigkeit des Materials kann das Silikon als mechanischer Messaufnehmer für Kräfte und Drücke verwendet werden.
Der Silikonsensor SXTSC zum Beispiel besteht aus drei gegeneinander elastisch gelagerten leitfähigen Schichten, welche als Messkapazität wirken und durch eine Elektronik für kapazitive Sensoren ausgewertet werden kann. Bei Druck- oder Kraftbeaufschlagung des Silikonsensors werden die leitfähigen Schichten definiert zueinander bewegt, wodurch sich die Distanz zwischen den Schichten verkleinert. Dies bewirkt folglich eine Erhöhung der elektrischen Kapazität des Silikonsensors, welche durch die Elektronik gemessen werden kann. Durch die guten elastischen Eigenschaften des Silikons kann eine Belastung über eine Million Mal wiederholt werden. Je nach Umweltbedingungen kann eine Alterung in Form eines Drifts beobachtet werden, welche jedoch zum Beispiel durch einen Referenzsensor kompensiert werden kann. Der Referenzsensor kann ebenfalls Umwelteinflüsse während der Messung ausgleichen, wie auch eine örtliche Auflösung ermöglichen, um zum Beispiel die Richtung der Kraft zu bestimmen. Form und Größe können auf die Anwendung abgestimmt werden. Die meiste Erfahrung ist derzeit mit Sensoren im Dimensionsbereich von 10 bis 20 mm Länge vorhanden, welche Kräfte von mehreren 10 N mit einer Genauigkeit weit unter 1 N bestimmen können. Muster in standardisierter Ausführung stehen zur Verfügung.
Künstlicher Muskel
Neben Sensorik kann Silikon auch als eigenständiges aktives Bauelement verwendet werden. Damit kann Silikon wie ein künstlicher Muskel wirken, welcher zum Beispiel Medien dosieren und fördern kann, dem Menschen haptische Rückmeldung gibt und Werkstücke greift und ausrichtet. Der Aufbau eines Silikonaktors wird im Folgenden am Beispiel eines Silikonstapelaktors SXTA erläutert. Werden mehrere Lagen von elektrisch leitfähigem und isolierendem Silikon aufeinandergestapelt, entsteht ein weicher, elastischer Kondensator. Wird zwischen je zwei übereinanderliegende leitfähige Schichten eine Spannung angelegt, lädt sich der Kondensator auf. Durch das Aufladen entsteht ein elektrostatisches Feld zwischen den Schichten, welches den Aktor aufgrund der elektrostatischen Anziehungskraft und den elastischen Silikonschichten zusammenziehen lässt. Damit ist der Muskel angespannt. Er kann wieder gelöst werden, indem die elektrischen Ladungen durch zum Beispiel einen Kurzschluss abgeführt werden. Die Reduktion der Ladung schwächt die elektrostatische Anziehungskraft, sodass die elastische Silikonschicht den Aktor mechanisch wieder in die ursprüngliche Form zurückstellen kann. Der Silikonaktor wirkt somit wie ein elektrostatisch steuerbares Federelement, welches sich bewegen und versteifen kann und Energie speichert. Die Verformung und die Kraft sind proportional zur angelegten Spannung. Der Silikonaktor kann Energie effizient zwischenspeichern und so eine bestimmte Position sehr energiearm halten. Im Weiteren ist sein besonders geringes Gewicht hervorzuheben, da er keine Metalle enthält. Der Silikonaktor SXTA ist derzeit typischerweise 10 bis 30 mm groß und kann sich bis zu einem Millimeter verformen. Dabei kann er Kräfte in der Größenordnung von bis zu 10 N erzeugen. Der Silikonaktor SXTA steht kurz vor der Industrialisierung und wird in Zukunft in größeren Stückzahlen von über 100.000 Teilen pro Jahr verfügbar sein. Erste Muster stehen bereits zur Verfügung.
Vielfältiger und universeller Kunststoff
Im Bereich der Industrie- und Prozesstechnik eröffnet der Silikonaktor als Ventil oder Pumpe die Möglichkeit zur Kontrolle von Medienfluss. Die direkte proportionale Kontrolle der Auslenkung des Silikonaktors ermöglicht in einem Ventil eine energieoptimierte Kontrolle des Massenflusses, indem der Silikonaktor eine Düse öffnet und schließt, wobei sich das Silikonmaterial gleichzeitig als gute Dichtung zu der Düsenöffnung eignet. Bei einer peristaltischen Pumpe ermöglicht er eine nahezu pulsationsfreie Förderung von Flüssigkeiten. Hubmagnete erzeugen bei jedem Förderhub durch den mechanischen Aufprall des Magneten im Anschlag eine Pulsation. Silikonaktoren können so angesteuert werden, dass der Übergang von einem Förderhub zum anderen kontinuierlich und somit pulsationsfrei verläuft. Durch das geringe Gewicht und die Möglichkeit zur Miniaturisierung kann der Silikonaktor auch als kompakte Matrix zur Steuerung einer größeren Anzahl Ventile oder Pumpen verwendet werden.
Durch das geringe Gewicht und das elastische Verhalten von Silikonsensoren und -aktoren eigenen sich diese Komponenten auch für den Einsatz in automatisierten Prozessen. Als Kraftsensor oder Krafterzeuger an Greifsystemen und Pipetten-Dosiereinheiten verursacht die Silikonkomponente nur ein sehr geringes Zusatzgewicht, wodurch Prozesse präziser werden und beschleunigt werden können. Insbesondere bei mobilen Robotern und tragbaren Exoskeletten kommt das geringe Gewicht besonders zum Tragen. Kraftsensoren an Greifern können die automatische Erkennung von Gegenständen unterstützen. So haben Studien gezeigt, dass Roboter, welche ihnen unbekannte Gegenstände erkennen sollen, für deren Identifikation neben der Bilderkennung auch „taktile“ Eigenschaften wie die Steifigkeit des Gegenstandes benötigen. Zur Bestimmung der Steifigkeit ist ein weicher, verformbarer Sensor von Vorteil. Kraftsensoren in Füßen von Robotern und Exoskeletten helfen beim Halten des Gleichgewichtes.
Ab 2022 serienreif
Die Sateco Gruppe hat die Industrialisierung des Silikonsensors SXTSC und Silikonaktors SXTA vorangetrieben und arbeitet mit mehreren Industriegüterherstellern an deren Integration in mechanische Systeme. Zu diesem Zweck sind Muster der ersten Generation kurzfristig verfügbar, inklusive Steuerungselektronik. Die Produktion der zweiten Generation ist in Vorbereitung. Voraussichtlich Anfang 2022 können größere Mengen an Silikonsensoren und -aktoren geliefert werden. Die kundenseitige Integration kann technisch mittels eigener Erfahrung, Demonstratoren und Versuchen kompetent unterstützt werden.
Autor
Daniel Häfliger, CEO
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