RTE und Faurecia: Objektive Schwingungsmesstechnik ist gemeinsames Projekt

26.06.2013 -

Die Abwandlung des alten Kinderspieles bringt es auf den Punkt. Der Mensch als Individuum ist beeinflusst von seiner Erfahrung, seinen Gefühlen, seinem Geschmack. Abgesehen von diesen weichen Einflüssen bestimmt auch die Biologie unser Hörvermögen. Krankheit, Alter, Genussmittel und Tagesform führen entweder zur Einschränkung oder zu großen Schwankungen in der Wahrnehmung.

Daher können subjektiv akustisch geprüfte Baugruppen und Geräte durchaus noch fehlerhaft sein oder unangenehm klingen. Um dieses „unangenehm“ greifbar zu machen, hat sich die Firma Faurecia in Ihrem Werk in Geiselhöring zum Einsatz objektiver Schwingungsmesstechnik entschieden.

Faurecia, der zweitgrößte Sitzlieferant Europas und der Drittgrößte der Welt für den Automobilsektor, hat seit Jahren Schwingungsprüfung in der Fertigung integriert. „Durch die gute Zusammenarbeit zwischen Faurecia und RTE ist es gelungen, die Integration in die laufende Serie schnell voranzutreiben. Bei schwierigen Fragen, die durch unsere Mitarbeiter nicht alleine gelöst werden konnten, hat uns RTE immer mit Rat und Tat unterstützt“, so der verantwortliche Leiter des Kundenbereiches BMW/Rolls Royce, Herr Heinz Schmid.

Elektrisch verstellbare Sitze in der Automobilindustrie sind Hightech Produkte. Sie beinhalten nicht nur elektrische Sitzversteller, sondern vielfältige Zusatzfunktionen wie Sitzbelegungserkennung, Fußraumbeleuchtung, Memoryfunktionen, Sitzheizung und -belüftung bis hin zu komplexen Klimasteuergeräten. Wird hierbei ein fehlerhaftes Teil erst im fertig montierten und bepolsterten Sitz erkannt, wird die Nacharbeit im Gegensatz zur Komponentenprüfung überproportional teuer und behindert den Fertigungsprozess, da die Sitze „just in time“ gefertigt werden.

Eine logische Schlussfolgerung daraus ist, dass in verschiedenen Produktionsstufen Prüf- und Dokumentationsschritte eingefügt werden. Beispielsweise werden so die Funktionsund Geräuschdaten eines Sitzverstellers als unmontierter Antrieb, als Komponente im unbepolsterten Sitzgestell und im bepolsterten Komplettsitz geprüft.

Durch externe Einflüsse, wie etwa die Verspannungen eines Verstellantriebes bei der Montage oder Bepolsterung, kann sich das Verhalten der Komponente entscheidend ändern. Durch eine kontinuierliche Überwachung und Dokumentation der Produktion wird die Kundenreklamation vermieden.

Geräuschspektrum gibt Aufschluss über Fehler

Unter vergleichbaren Umgebungsbedingungen können Luftschallmessungen in der Fertigung nicht durchgeführt werden. Eine Simulation der gesamten Einbaubedingungen ist auf der anderen Seite wirtschaftlich nicht sinnvoll. Bei der Geräuschbeurteilung von Komponenten im Fahrzeug müsste eine Schallkabine den Fahrzeuginnenraum realistisch nachbilden.

Es ist leicht einsehbar, dass dieses angesichts der Varianten- und Ausstattungsvielfalt nicht möglich ist. Aus diesem Grunde gibt es einen prinzipiellen Unterschied zwischen der subjektiven Beurteilungen im Fahrzeug und den objektiven Messungen am Prüfstand in der Fertigung.

Die maschinelle Geräusch- und Schwingungsbeurteilung kann zwar den Höreindruck des menschlichen Prüfers nicht in der gleichen Weise erfassen, sie kann aber Fertigungsfehler erkennen und Kennzahlen für das Geräuschverhalten des Prüflings berechnen. In jedem Einzelfall sind Bedingungen in der Prüftechnik (Prüfstand, Sensorik, Verfahren) zu finden oder zu entwickeln, die den Bedingungen der „realen Welt“ möglichst nahe kommen.

Für den subjektiven Eindruck des Menschen gibt es eine Vielzahl von Umschreibungen, wie sie in der Tab. 1 aufgelistet werden. In der zweiten Spalte wird eine nähere Umschreibung gegeben und in Spalte drei mögliche Analyseverfahren vorgeschlagen. Mit diesem Ansatz kann in der laufenden Produktion ein System auf verschiedene Fehlerbilder eingerichtet werden.

In Abbildung 2 ist ein typisches Fehlerbild „Brummen“ über das Verfahren des Leistungsspektrums abgebildet. Über frequenzselektive Betrachtung und Bewertung können hier direkt Rückschlüsse auf die Fehlerquelle und –Ursache gezogen werden.

Der Nutzen

Prüftechnik heftet das Image an, unproduktiv und kostenintensiv zu sein. So hat auch Faurecia im Vorfeld die Kosten genau analysiert und dabei zwei wichtige Prozesse von Anfang an installiert: Es wird ein Verantwortlicher für die Prüfaufgabe definiert und der notwendige Freiraum geschaffen. Die Daten der Schwingungsmessung werden nicht nur archiviert, sondern die Erkenntnisse daraus fließen in die Produktverbesserung ein.

Abbildung 3 zeigt eindrucksvoll die rückläufigen Kundenreklamationen, aber auch die internen Reklamationen, also die fehlerhaften Teile, die in der Produktion aufgrund der Schwingungsprüfung aussortiert wurden. Die Erkenntnisse wurden in die Produktentwicklung eingearbeitet, so dass immer weniger Fehlteile aussortiert werden müssen. Ähnliche Lernkurven melden uns auch andere Werke mit völlig unterschiedlichen Produkten.

Was die Kurve allerdings auch verdeutlicht ist die Tatsache, dass eine Schwingungsprüfung nicht zu einem Stichtag installiert wird und von da an alle Fehler erkennt. Es ist ein iterativer und interaktiver Prozess, der sich je nach Komplexität über Tage oder wie hier Monate erstrecken kann.

Fazit

Um den alten Konflikt zwischen Kunde und Lieferant bei der Beurteilung von Geräuschfehlern zu vermeiden, muss in der Serienfertigung eine Überprüfung des Schwingverhaltens stattfinden. Dies erfolgt auf Basis festgelegter Verfahren, Merkmale und zulässiger Grenzen. Durch eine eindeutige Rückverfolgbarkeit und Dokumentation der Messungen kann bei Reklamationen jederzeit der Beweis angetreten werden.

Fehlerhafte Produkte werden so nicht mehr an den Kunden geliefert. Dass sich das Geräuschbild von Halbfertigprodukten aber auf ihrem Weg der Weiterverarbeitung und Veredelung noch verändern kann, ist unbestritten. Es soll damit nicht das nächste Kinderspiel, der „Schwarze Peter“ gespielt, sondern die Ursache für das Problem an der richtigen Stelle gesucht und abgestellt werden. Dazu ist die Geräuschund Schwingungsprüfung gerade in den verschiedenen Fertigungsstufen notwendig.

 

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