Automatisierung

Dehnungsmessstreifen überwachen Mailänder Dom

21.11.2013 -

Um den Hauptturm des Mailänder Doms zu restaurieren, hüllte man ihn in ein Gerüst. Doch dieses wiegt 90 Tonnen und lastet voll auf dem Sockel der Kuppel. Um den Dom zu schützen, ließ die Bauherrin Turm und Gerüst mit Hilfe optischer Dehnungsmessstreifen überwachen.

Der Mailänder Dom gehört zu den größten gotischen Gebäuden. Sein Bau begann 1386 und zog sich über mehr als 500 Jahre. 1762 wurde dann eines der Wahrzeichen des Doms errichtet: die Hauptturmspitze, genannt Guglia Maggiore. Gekrönt wird die 108,5 Meter hohe Spitze von einer goldenen Madonnenstatue. 2010 übernahm nun Bauherrin Veneranda Fabbrica del Duomo die Aufgabe, den Marmor des Hauptturms zu restaurieren, da dieser durch Witterung und Umweltverschmutzung beschädigt war. Doch die Restaurierung erforderte den Bau eines massiven Gerüsts, das den Hauptturm komplett einschließt. Das Gerüst wiegt über 90 Tonnen, ruht auf dem Sockel der Kuppel und ist freistehend. Da es wegen des zusätzlichen Gewichts auf die Kuppelbasis und des gestiegenen Risikos einer höheren Windlast Bedenken gab, wandte sich die Bauherrin an die Hochschule Politecnico di Milano: Sie sollten ein zuverlässiges, kontinuierlich arbeitendes Überwachungssystem für Turmspitze und Gerüst entwickeln. Die Forschungsgruppe im Bereich mechanische Messungen der Politecnico di Milano hat bereits etliche Strukturüberwachungssysteme auf Basis von NI-Plattformen und der Systemdesignsoftware NI LabView erstellt.

Die Struktur mit Messgeräten versehen
Die Struktur wurde mit einer Reihe von Sensoren versehen. Sie detektieren die Windbedingungen, die Last auf die Kuppel sowie die Position und Bewegung des Gerüsts und der Turmspitze. Da Blitzeinschläge frühere Messsysteme zerstört hatten, entschied sich das Entwicklungsteam für optische FBG-Dehnungsmessstreifen, um die Last auf die Kuppel zu erfassen. Dabei sind optische Dehnungsmessstreifen an allen acht Rippen der achtseitigen Kuppel angebracht. Sie überwachen die Verformung der Rippen. Jedem Dehnungsmessstreifen ist dabei ein FBG-Sensor zum Temperaturausgleich zugeordnet. Die Sensoren werden über zwei Glasfasern an das PXI-Express-System angeschlossen. Gerüst und Turmspitze sind ebenfalls mit etlichen Weggebern ausgestattet, um die Gerüstbewegung im Verhältnis zum Turm zu messen. Beschleunigungsmesser überwachen das gesamte dynamische Verhalten. Induktive Wegaufnehmer (LVDTs) werden für die Überwachung von Rissöffnungen eingesetzt und Windmesser erfassen Windrichtung und -geschwindigkeit.

Alarm bei Anomalien der Messdaten
Das PXI-System im Glockenturm nahe der Kuppelbasis beinhaltet den optischen Sensor-Interrogator NI PXIe-4844, der Daten von optischen Dehnungsmessstreifen und Temperatursensoren erfasst und empfindliche und stabile Messungen liefert. Derzeit umfasst das System ein NI-CompactRIO-Chassis mit Modulen zur Erfassung dynamischer Signale (DSA) des Typs NI 9234, um damit Signale der elektrischen Beschleunigungsmesser und LVDTs zu erfassen. Diese Sensoren werden schließlich auch auf das PXI-System übertragen.
Das vollständig integrierte PXI-System arbeitet mit dem LabView-Real-Time-Module und ermöglicht so dank des Echtzeitbetriebssystems einen kontinuierlichen Betrieb. Sensordaten werden erfasst und auf Auffälligkeiten überprüft. Sobald eine Anomalie erkannt wird, löst das System einen Alarm aus - sowohl auf dem für die Überwachung genutzten Bildschirm als auch über eine E-Mail an die Projektverantwortlichen. Daten, einschließlich der Sensorselbstdiagnose, werden gemäß Redundanzkriterien gespeichert und mittels eines halbautomatischen Ansatzes zur Erkennung abweichenden Verhaltens analysiert. Der komplexeste Teil der Entwicklung des Systems bestand darin, die geeigneten Alarmpegel auf Grundlage von absoluten Kriterien (tatsächliche Windböengeschwindigkeit) und des bisher beobachteten Verhaltens der Struktur (frühere Maximalwerte und jährliche Veränderungen) zu bestimmen.

Marmorblock als Muster im Labor
Da bereits geringe Veränderungen der mechanischen Belastung der Kuppel entdeckt werden müssen, musste jede Temperaturdrift ausgeglichen werden. Darum baute das Team im Labor der Politecnico di Milano ein System auf, mit dem die Wärmewirkung auf die Messungen charakterisiert werden konnte. Ein als Muster dienender Marmorblock und ein montierter FBG-Dehnungssensor wurden in eine Klimaprüfkammer gestellt. Ein NI PXIe-4844 erfasste Daten, während das Muster und der Sensor immer wieder einen Zyklus von -5 °C bis 40 °C durchliefen. Die Ergebnisse wurden dazu verwendet, die Temperatureinwirkungen auf das Faser-Bragg-Gitter und den Marmor auszugleichen.

Dauerüberwachung als Sicherheitssystem
Das PXI-System überwacht jetzt kontinuierlich die Turmspitze, die Kuppel und das Gerüst. Dazu nutzt es die integrierten Echtzeitmessungen der optischen und elektrischen Sensoren. Es wird inzwischen von den auf dem Gerüst Arbeitenden sogar als Sicherheitssystem angesehen. Ihnen wurde gezeigt, wie sie mit der Software umgehen und die Daten deuten müssen. Das hat sich nach den Erdbeben 2012 in Norditalien als hilfreich erwiesen: Mit Hilfe der Daten, die vom Überwachungssystem gesammelt wurden, konnte die Integrität der Strukturen bewertet und validiert werden. So wusste man, dass die Restaurierungsarbeiten am Turm wieder sicher aufgenommen werden konnten.

 

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